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Augenzeugen berichten von grausigen Szenen, die sich an den Tagen nach dem Untergang der Fähre an den Ufern des Meghna zugetragen haben: Die meisten der rund 210 bisher geborgenen Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Freiwillige aus den Dörfern haben die aufgedunsenen Körper und Leichenteile in mehreren Massengräbern entlang des Flusslaufs beerdigt. Die nach Behördenangaben mit mindestens 800 Passagieren beladene dreistöckige Fähre, die nur für 300 Menschen ausgelegt war, sank ungefähr 100 km südlich von Dhaka in Nähe der Stadt Chandpur. Sie war auf dem Weg von der Hauptstadt zum Inseldistrikt Bhola gewesen. Etwa 200 der Passagiere konnten sich schwimmend ans Ufer retten; diese sprachen sogar von mehr als tausend Menschen an Bord. Das heillos überladene Schiff war in eines der gefürchteten Monsun-Unwetter geraten und innerhalb weniger Minuten gesunken. Der Fluss ist an der Unglücksstelle über 60 m tief. Inzwischen haben staatliche Taucher mit der Bergung der Leichen aus dem Schiffsrumpf begonnen, die den Hinterbliebenen übergeben werden sollen.
Im Vorfeld und während der Monsunzeit von Juni bis Oktober schlägt das Wetter häufig innerhalb weniger Minuten um. Plötzlich auftretende Winde mit Orkanstärke, begleitet von sturzartigen Regenfällen peitschen die Gewässer auf und schränken die Sicht auf wenige Meter ein. Als besonders katastrophenanfällig erweisen sich dabei die ständig überladenen und schlecht gewarteten Fähren. Sie sind in dem von tausenden Flüssen durchzogenen Delta am Golf von Bengalen das Rückgrat des Transportverkehrs. Mindestens 70 Prozent des landesweiten Verkehrs wird über die 7.000 km langen, schiffbaren Wasserwege abgewickelt. Zumal vielerorts Brücken aufgrund sich ändernder Flussläufe nicht möglich sind oder verfallen und die meisten Straßen bei schlechtem Wetter unbefahrbar sind. Jährlich kommt es zu starken, teils verheerenden Überschwemmungen.
Bei den mindestens zehn Schiffsuntergängen seit April 2003 konnten hunderte Menschen nur noch tot aus den Flüssen geborgen werden. Viele Opfer werden noch vermisst. Häufig treiben Leichen die Flüsse hinab bis auf das Meer hinaus. Der Polizei ist es unmöglich, die genaue Opferzahl zu nennen, da von den Fährbetreibern keine Passagierlisten geführt werden. Zudem sind nur 8.000 der insgesamt über 20.000 Fähren des Landes offiziell registriert. Die Benutzung von Fähren ist für die Bevölkerung in der Regel aber unausweichlich. Die Nachfrage überschreitet ohnehin das Angebot, was häufig eine Monopolstellung der Betreiber begünstigt. Das starke Profitstreben der Fähreigner bewirkt, dass sie ihre Gewinne durch fehlende Wartung und die Mitnahme von so vielen Personen und Lasten wie möglich zu maximieren versuchen. Bei den Schiffsuntergängen sind insbesondere die in den Unterdecks eingepferchten Passagiere unter den Todesopfern, da die Fluchtwege verstopft sind.
Die Fähren sind fast ausnahmslos altersschwache Schiffe, die in den Nachbarstaaten keine Lizenz mehr erhalten würden. Vor Ort fehlen Polizisten und Sicherheitsbeauftragte, die ein Überladen verhindern; und Korruption tut ein Übriges.
Nach Fährunglücken setzt die Regierung meistens Untersuchungskommissionen ein - das häufigste Resultat: die Sicherheitsmängel waren schuld am Untergang. Obwohl bei den Parlamentswahlen 2001 diese Thematik Priorität besaß, kam es zu keinerlei Fortschritten. Einerseits wird der Umfang der Aufgabe unterschätzt, andererseits mangelt es an Durchsetzungskraft und den notwendigen finanziellen Mitteln zur Verbesserung der Transportsicherheit. Die Regierung in Dhaka ließ nach den Wahlen eine Reihe von Fernsehspots produzieren. In ihnen warnt sie vor den Gefahren durch die Überladung der Schiffe und weist auf ungenügende Sicherheitsstandards hin. Aber aufgrund der Abhängigkeit der Bevölkerung von den Fähren und der Profitgier der Eigentümer bleiben sie ohne Wirkung.
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