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30. Dezember 2000. Nachrichten: Politik & Recht - Südasien "Waffenstillstand" in Kaschmir

Pakistan und Indien versprechen Zurückhaltung

Mit dem Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan verkündete der indische Premier Atal Bihari Vajpayee am 28. November 2000 einen einseitigen Waffenstillstand im kashmirischen Bürgerkrieg. Danach sollte sich die Armee auf Akte der Selbstverteidigung beschränken und ihre Anti-Terror-Operationen, deren Opfer nicht selten auch Zivilisten wurden, vorübergehend einstellen.

Pakistan signalisierte daraufhin Bereitschaft zur Zurückhaltung in der Krisenregion. Ein Staatssekretär des Außenministeriums teilte mit, daß die Streitkräfte angewiesen worden seien, entlang der Line of Control "maximale Zurückhaltung" zu üben.

Am 20. Dezember erklärte Vajpayee vor dem Parlament in New Delhi, daß die Feuerpause verlängert werde und erst am 26. Januar 2001, dem "Tag der Republik", ende. Pakistan ordnete daraufhin einen Teilrückzug seiner Truppen von der Line of Control an. Militärkreise äußerten die Hoffnung, daß auch Indien Soldaten abziehe.

Die Regierung in Islamabad lud Mitte Dezember Vertreter der Hurriyat-Konferenz, der Koalition 24 anti-indischer politischer Gruppierungen in Kaschmir, ein, um ein Treffen zwischen den drei Konfliktparteien - Indien, Pakistan und der kaschmirischen Widerstandsbewegung – vorzubereiten. Die Gespräche sollen unmittelbar nach dem Ende des Fastenmonats beginnen.

Inzwischen hat das pakistanische Militärregime den Widerstand gegen bilaterale Gespräche zwischen der indischen Regierung und den in Kaschmir kämpfenden Separatisten aufgegeben und akzeptierte es, den Gesprächen fernzubleiben. Allerdings erwartet die Regierung in Islamabad, daß Indien seinerseits Gesprächen zwischen Pakistan und der Hurriyat-Konferenz zustimmt. New Delhi wurde aufgefordert, die Reise der Hurriyat-Vertreter zu erleichtern und mit diesen ebenfalls Vorbereitungsgespräche aufzunehmen.

Letztmals hatte die Hizbul Mujahedin, die stärkste Rebellengruppe, im vergangenen Juli einen Waffenstillstand ausgerufen. New Delhi reagierte positiv auf das Angebot der Rebellen, und es kam sogar zu einem historischen Treffen zwischen Vertretern der indischen Regierung und Separatisten aus Kaschmir. Doch der Waffenstillstand brach zusammen, als die Hizbul Mujahedin die Bedingung stellte, Pakistan müsse in die Gespräche einbezogen werden.

Die Reaktionen Indiens auf die pakistanische Kompromißbereitschaft waren verhalten positiv. Innenminister L.K. Advani stellte fest, daß der pakistanische Beschuß entlang der gemeinsamen Grenze stark zurückgegangen sei. Angriffe auf Zivilisten und Militärpersonal hätten abgenommen, seien aber nicht ganz ausgeblieben.

Die Hizbul-Mujahedin äußerte sich positiv zur indischen Geste und versprach, "verantwortungsbewußt" auf die "Feuerpause" zu reagieren. Die Kämpfer der Lashkar e-Toiba betonten dagegen, daß der Waffenstillstand eine indisch-pakistanische Angelegenheit sei und der Kampf für die Selbstbestimmung Kaschmirs weitergehe. Sie kündigten für Ende Dezember eine neue "Großoffensive" an.

Die vorsichtige Reaktion Indiens auf Pakistans Truppenabzug wurde durch Vermutungen begründet, daß Pakistans Schritt wesentlich dem internationalen Druck zuzuschreiben sei, den die indische Geste ausgelöst hat. New Delhi betonte, daß Islamabad auch weiterhin an der Unterstützung der Widerstandsgruppen festhalte.

In jüngster Zeit nahm in beiden Ländern auch der Druck der Bevölkerung auf die Politik zu. In den letzten Wochen häuften sich Veranstaltungen im Rahmen der sogenannten "Track Two Diplomacy". Immer mehr prominente indische und pakistanische Bürger setzen sich für eine Wiederaufnahme des Dialogs ein.

General Pervez Musharraf, der seit seiner Machtübernahme in Pakistan verbal Dialogbereitschaft beteuert, mußte quasi auf den Vorstoß von Premierminister A.B. Vajpayee reagieren. Ebenso wenig kann die indische Seite das erste positive Zeichen Pakistans seit Kargil-Konflikt vom Frühsommer 1999 übersehen haben. 

 

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