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28. Februar 2005. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Muslime gegen Muslime in Lucknow

Ausschreitungen zwischen Sunniten und Schiiten in Uttar Pradesh verschärfen die Spaltung indischer Muslime.

Am 20. Februar 2005 kam es in Lucknow nach 28 Jahren erstmals wieder zu schweren Ausschreitungen zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen. Dabei wurden drei Menschen getötet und über 20 verletzt. Anlass war die vor allem von den Schiiten begangene tazia-Prozession zu Muharram. Nach der Teilung des All India Muslim Personal Law Board (AIMPLB), dem wichtigsten Organ muslimischer Interessen in Indien, zu Beginn des Jahres war die Gewalt ein weiteres Indiz für die Entfremdung zwischen den beiden größten muslimischen Religionsgemeinschaften in Indien.

Die Unruhen brachen in Hussainabad, der noch teilweise ummauerten Altstadt Lucknows, aus. Als der schiitische Prozessionszug durch das vorwiegend von Sunniten bewohnte Viertel Muftiganj zog, kam es Augenzeugenberichten zufolge zunächst zu verbalen Streitigkeiten über einige religiös umstrittene Rezitationen. Schon innerhalb kurzer Zeit mündeten diese Auseinandersetzungen zwischen einigen sunnitischen Jugendlichen und Teilnehmern des Umzuges in einer Straßenschlacht. So wurden bereits eine halbe Stunde später Steine von den benachbarten Häusern und Moscheen geworfen und nach Polizeiangaben Schwerter, Messer und Schusswaffen eingesetzt. Die Gegend um den historischen Prachtbau der Chhota Imambara glich einem Schlachtfeld.

Die staatlichen Sicherheitskräfte waren nach eigenen Angaben durch die Intensität der Ausschreitungen vollkommen überfordert und dementsprechend machtlos. Erst nachdem zusätzliche Einheiten herbeigeeilt waren, gelang es allmählich, die Situation unter Kontrolle zu bringen, so der Polizeichef von Lucknow, Navneet Sikera, gegenüber der Tageszeitung The Telegraph. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die kämpfenden Fraktionen auseinander zutreiben. Als einem der Polizisten ins Bein geschossen wurde, erwiderte die Staatsmacht das Feuer und schoss in die Menge.

Später kam es in der Altstadtgegend um das Akbari Gate erneut zu Unruhen, als etwa 1.000 Jugendliche einer Fraktion Kompensationszahlungen für die Toten von der Gegenseite einforderten. Unterdessen gab Aloke Sinha, Staatssekretär im Innenministerium von Uttar Pradesh, bekannt, dass die Angehörigen der Opfer Entschädigungszahlungen von fünf Lakh Rupien (ca. 9.100 Euro) erhalten werden.

Diese ersten offenen Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten seit den schweren Ausschreitungen in Lucknow von 1977 wurden von den geistigen Führern beider Sekten scharf verurteilt. Der jährlich am zehnten Tag des muslimischen Monats Muharram abgehaltene Umzug zur Erinnerung an den Tod Husains (al-Husayn ibn Ali) ist ein Hauptfest der Schiiten. Der Sohn Alis und damit auch Enkelsohn des Propheten Muhammads wird von den Schiiten als Imam verehrt. Er starb als Märtyrer während einer Schlacht in Karbala im heutigen Irak, die heute noch oftmals nachgespielt wird.

Das erst seit 1997/98 wieder erlaubte azadaari (das Zeigen und Tragen von Reliquien des heiligen Schreines von Karbala) lief in den vergangenen Jahren friedlich ab. Die tazia-Prozession als Höhepunkt Muharrams ist in Lucknow allerdings erst wieder möglich, seitdem sich führende Repräsentanten beider Gemeinschaften in Folge von Übergriffen im Juni 1997 grundsätzlich auf Friedensgarantien verständigten.

Seit der Teilung des AIMPLB zu Jahresbeginn unterhalten die voneinander unabhängigen Interessenvertretungen der Schiiten und der Sunniten nun keine Beziehungen mehr zueinander. Dabei wäre eine neue Annäherung im Sinne einer zukünftigen Vermeidung solcher inner-muslimischen kommunalistischen Gewalt sicherlich notwendig.

Umso mehr Hoffnung machen Berichte aus Ahmedabad in Gujarat, wo die tazia-Prozession als Anlass für einen Neubeginn der Beziehungen zwischen einander völlig entfremdeten Glaubensgemeinschaften genutzt wurde: Friedensbemühte Hindus und Muslime zogen gemeinsam durch ein Wohnviertel, das während des Genozides an Muslimen in dem Unionsstaat 2002 besonders betroffen war.

Quellen

  • "Clash cracks Lucknow lull", in: The Telegraph (Kolkata), 21.2.2005, S.1
  • Rasheed Kidwai: "Thin Shia-Sunni peace bleeds", in: The Telegraph (Kolkata), 21.2.2005, S.6
  • "Amity gesture in riot hub", in: The Telegraph (Kolkata), 21.2.2005, S.6

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