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fAn ihrem zweiten Tag soll der Rath, der Wagen - eigentlich ein Tempelwagen oder Streitwagen für Götter - von Rajnath Singh auf dem Weg von Talcher nach Rourkela im westlichen Hinterland Orissas um 16.15 Uhr auch nach Bonaigarh kommen. Ein eher verschlafenes Hauptstädtchen des ehemaligen Fürstenstaates mit rund 12.000 Einwohnern. Auf dem Weg dorthin kommt man nicht umhin, diverse Plakate, zeremonielle Torbögen in den BJP-Farben zu Ehren des Gastes, aber auch einige plötzliche Reparaturarbeiten an den Straßen zu bemerken.
Der Start der Rath Yatra war leicht verunglückt als die konservativen Priester in Puri, der heiligen Stadt am Golf von Bengalen, dem eigentlich anvisiertem Ausgangspunkt der Yatra, schlichtweg keinen anderen Rath oder Tempelwagen in ihrer Stadt haben wollten als den ihres Hauptgottes Lord Jagannath. Diese kleine Schlappe versuchte man mit einer umso größeren Show in Orissas Landeshauptstadt Bhubaneshwar zu kompensieren, bevor man sich auf den Weg ins Hinterland aufmachte.
Zur angegebenen Zeit herrscht auf dem Feld vor der Highschool eher eine der Mittagshitze entsprechende geringe Geschäftigkeit. Von BJP-Prominenz ist weit und breit nichts zu sehen. Eine Bühne wurde aufgebaut, mit Stühlen davor und einem Sonnendach - immerhin etwas Schutz gegen die knapp 40°C. So wartet man an der nächsten Kreuzung im Schatten mit drei Polizisten, die die Zufahrtsstraße kontrollieren sollen. Die Übergriffe von Maoisten und Naxaliten in verschiedenen Teilen Orissas in den letzten Tagen sind noch gut in Erinnerung. Alle Wagen sollen daher am Ortseingang abgestellt werden. Rajnath Singh hat als BJP-Präsident immerhin eine hohe Sicherheitsstufe, aber jeder, der es nur etwas clever anstellt, kommt an den drei Polizisten recht gut vorbei. Von einer richtigen Kontrolle der Wagen kann hier keine Rede sein und es hilft, wenn man ein teures Auto hat.
Bereits am Ortseingang geparkt sind ein paar Lastwagen, rund 15 Mini-Trucks, ein Bus und vielleicht knapp 20 Jeeps, die meisten mit einer BJP-Flagge geschmückt. Es erinnert zwangsläufig an einen Wahlkampfauftritt. Man kann darüber spekulieren, ob die Leute alle aus Interesse an Rajnath Singh gekommen sind oder doch eher wegen der Aussicht auf ein paar Rupies und eine warme Mahlzeit gelockt wurden. Wie ein Beobachter desillusioniert kommentiert: "Heute kommen sie für 20 Rs hierher. Wenn ihnen morgen jemand 50 Rs bieten wird, gehen sie dorthin." Einige der Anwesenden wissen offenbar gar nicht, dass Rajnath Singh kommt oder wer er ist. Aber alle kennen Juel Oram, oder einfach Juel Babu, den lokalen Abgeordneten, ehemaligen Minister für Stammesangelegenheiten und außerdem State President der BJP für Orissa.
Die Yatra ist bereits eine Stunde überfällig. Und man wartet weiter. Es ist zu hören, dass 200 Polizisten gekommen sein sollen, von denen man nur wenig sieht. Zwischendurch trifft eine Mini-Kolonne eines Minister mit drei Autos ein und der Polizist an der Kreuzung ist unsicher, ob dies nun "Advance Cars" sind oder doch ein Minister. Dann kommt gleich noch ein Minister und man fragt sich gegenseitig, wer dies denn gewesen sein könnte, bevor man beschließt doch lieber auf den Haupttross zu warten. Die Regionalregierung aus BJP und dem regionalen Koalitionspartner BJD (Biju Janata Dal) bemüht sich offenbar, die Yatra zu einem Erfolg zu machen und hat an Ministern einiges aufgeboten.
Gelegentlich treffen über Handys "Wasserstandsmeldungen" ein: Die Kolonne kommt doch erst zwei Stunden später. Sie ist jetzt auf der anderen Seite des Flusses. Alle stecken in einem Stau. Man hat die Kolonne angehalten, um Blumen zu überreichen. Und so weiter. In einem benachbarten Geschäftszentrum hat man die Rath Yatra wohl in der Tat mit Blumen überhäuft, was die dortigen Geschäftsleute gesponsert haben sollen. Aber ob sie dies aus innerster Überzeugung taten oder vielleicht nur, um ihrem Abgeordneten in seinem Gebiet einen Gefallen zu tun, damit er sich später revanchiert, bleibt ihr Geheimnis. In der Zwischenzeit verlassen größere Gruppen - insbesondere von Frauen - bereits wieder den Platz, offensichtlich des Wartens überdrüssig. Eilig als Lückenfüller herbeigerufene Redner, die die Wartezeit überbrücken sollen, ziehen sie offensichtlich nicht in ihren Bann.
Nach rund 2 ½ Stunden, als es bereits dunkel ist, kommt schließlich etwas Bewegung ins verschlafene Städtchen. Jetzt kommen gelegentlich zusätzliche Polizisten vorbei, noch mehr Minister und schließlich rollt mit fast 3 Stunden Verspätung tatsächlich der gepanzerte Swaraj Mazda Kleinbus, der moderne Tempelwagen, ein. Er ist umringt von den sogenannten Black Cats - einer Spezialtruppe in schwarz, die etwas mehr Respekt einflößt als die lokalen Polizisten mit ihren Stöcken. Hinter dem Rath sollen angeblich 150 Autos fahren, so hatte es über Handy geheißen. Die Zahl dürfte reichlich übertrieben sein. Vielleicht sind es 50, aber auch die reichen aus, um auf einer schmalen Straße schnell einen Stau zu verursachen.
Dann geht alles recht schnell. Ein wenig Getöse über den Lautsprecher: "Rajnath Singh Swagatam, Raja Sahib Swagatam..." Der alte Raja des Kleinkönigtums wird mit auf die Bühne gebeten und verleiht dem Ganzen damit etwas Lokalkolorit. Dann die Rede von Rajnath Singh, in der er kurz die glorreiche Regierungszeit Vajpayees schildert, aber auch auf die Probleme des Landes, die in der langen Congress-Herrschaft begründet lägen. Er verweist auf Japan, ein kleines Land, das zu solchen wirtschaftlichen Erfolgen gelangt sei, während hier der Congress das Land mit seiner Politik der Minderheitenbevorzugung spalte. Hinzu käme das Problem der Naxaliten, was ebenfalls der Congress zu verantworten habe. So sei die Sicherheit des Landes gefährdet. Und die Sicherheit ist schließlich das Hauptanliegen der Yatra, wenn man nach dem Titel der "Bharat Suraksha Yatra" (Marsch für die Sicherheit Indiens) geht, wobei der Titel ursprünglich "Bharat Ekta Yatra" lauten sollte und auf die Wahrung der Einheit des Landes nach den Bombenanschlägen in Varanasi im Februar fokussieren sollte.
Die Rede ruft gelegentlichen freundlichen Applaus hervor. Enthusiasmus sieht anders aus. Auch die Menge an sich ist nicht allzu beeindruckend. Auf der Seite der Frauen ist mehr als die Hälfte der Stühle leer, auch die Männerseite ist nicht wirklich gut besetzt. Von den erwarteten 4.000 bis 5.000 Menschen ist nichts zu sehen. Vielleicht sind es 1.000. Nach rund 15 Minuten ist die Rede auch schon vorbei. Andere Redner wie der ebenfalls mitreisende Vinod Katiyar, als BJP-Spitzenpolitiker aus Delhi zuständig für Orissa und bekannt als begabter Redner, der auch in Ayodhya beim Abriss der Babri Moschee in vorderster Reihe präsent gewesen war, treten erst gar nicht mehr an. Es geht weiter nach Rourkela, wo, wie der Raja bemerkt hatte, die Leute mehr "educated" sind und wo es besonders schwer werden dürfte, eine solche Verspätung zu rechtfertigen.
So rauscht die Karawane weiter und die Menge verflüchtigt sich schnell. Die Reaktionen sind gemischt. Einige sind enttäuscht, beklagen, dass es in keinerlei Verhältnis stehe, drei Stunden in der Hitze zu warten, um eine Rede von 15 Minuten zu hören. Andere loben die Rede und die klaren, eindrucksvollen Worten und versichern, ihn bestimmt wählen, beim nächsten Mal. Wieder andere sind zu dieser Zeit bereits schlichtweg betrunken. Und als sich der Staub halbwegs gesetzt hat, werden die Stühle schon wieder eingesammelt. Um dann immerhin über die für die Yatra halbwegs reparierten Straßen abtransportiert zu werden. So hat die Rath Yatra wohl zumindest einen positiven Nebeneffekt.
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