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14. August 2008. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Bomben in Bangalore und Ahmedabad

Terrorgruppe Indian Mujahiddeen bekennt sich zu Anschlägen in Ahmedabad

Eine Serie von Bombenanschlägen erschütterte am 25. Juli 2008 die IT-Metropole Bangalore, Hauptstadt von Karnataka und einen Tag später Ahmedabad, Hauptstadt von Gujarat. Bei den acht Anschlägen in Bangalore gab es unmittelbar ein Todesopfer zu beklagen, in Ahmedabad verloren 49 Menschen ihr Leben. Dutzende Menschen wurden verletzt.

Zu den Anschlägen, darunter allein 17 Explosionen in Ahmedabad, bekannte sich die Organisation Indian Mujahiddeen (IM) per E-Mail. Die IM reklamierte auch schon die Anschläge in Jaipur für sich. Zum Glück konnten eine Bombe in Bangalore und vier Bomben in Ahmedabad sowie im Laufe der nächsten Tage circa 20 weitere Bomben im Edelstein-Zentrum Surat rechtzeitig entschärft werden. Die Zentralregierung entsandte nach den Anschlägen sofort Hunderte von Sicherheitskräften nach Ahmedabad. Allerdings erweisen sich die indischen Sicherheitsdienste als hilflos, wenn es darum geht, solche Anschläge im Vorfeld zu verhindern. Auffallend ist, dass sich diese provokativen Anschläge 2008 in den Hauptstädten der von der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (Indische Volkspartei/BJP) regierten Staaten ereigneten.

Orte des Geschehens in Ahmedabad und Auswirkungen

Die Anschläge in Ahmedabad fanden in der Altstadt in einem Radius von wenigen Kilometern statt, so unter anderem im Diamantenmarkt, aber auch erstmals in einem öffentlichen Krankenhaus sowie in einer Privatklinik, die Pravin Togadia gehört. Togadia, Arzt und internationaler Sekretär des Vishwa Hindu Parishad (Weltrat der Hindus/VHP), gilt als Scharfmacher unter den Hindu-Fundamentalisten.

Ziel der Anschläge war es offensichtlich, Panik und kommunalistische Auseinandersetzungen auszulösen, da sich die Explosionen – von einer höheren Intensität als in Bangalore – in sehr sensitiven Gebieten der rapide wachsenden und schätzungsweise über sechs Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt von Gujarat ereigneten. Vier Sprengkörper explodierten zum Auftakt im Wahlkreis des umstrittenen Ministerpräsidenten Narendra Modi. Die mit Mikroprozessoren, Quartz und Ammoniumnitrat ausgestatteten Bomben befanden sich in Essensbehältern.

Die privaten Fernsehstationen New Delhi Television (NDTV) und Times Now unterbrachen ihre Sendungen und berichteten über mehrere Stunden hinweg von den Orten des Geschehens in Ahmedabad.

Präsidentin Pratibha Patil, Premierminister Manmohan Singh und Vize-Präsident Mohammed Hamid Ansari appellierten an die Bürger, Ruhe und Ordnung zu bewahren, um einen communal backlash zu vermeiden. Es kam sofort nach den Anschlägen zu Treffen von Repräsentanten der beiden größten Religionsgemeinschaften in Ahmedabad.

Hinweise und Vermutungen über die Indian Mujahiddeen

In ihrem 14-seitigen Manifest The Rise of Jihad, das kurz vor den Anschlägen in Ahmedabad per E-mail verschickt wurde, sprach diese terroristische Organisation ausdrücklich von Rache für die genozidartigen Ausschreitungen gegen Muslime 2002 in Ahmedabad sowie in weiten Teilen des städtischen und ländlichen Gujarat. Es wurden seitens der IM weitere Anschläge angekündigt, da unterstellt wird, dass die Polizei "unsere Brüder im Namen der Students Islamic Movement of India (SIMI) verhaftet, in Gefängnisse einsperrt und foltert." – Im Kontext der Anschläge von Jaipur hatte die Organisation bereits weitere Anschläge gegen die "Ungläubigen Indiens" (Kuffar-e-Hind) angekündigt, "so dass, wenn die Sicherheit des Islam und der Muslime in diesem Land nicht gewährleistet ist, auch das Licht Eurer Sicherheit bald ausgehen wird." (zitiert nach Praveen Swami: Indian Mujahideen" claims responsibility, in: The Hindu Online, 27.7.2008)

Die Indian Mujahiddeen warnte auch ausdrücklich Presseorgane wie die Times of India und deren Fernsehsender Times Now. Die großen männlichen Stars muslimischer Provenienz des indischen Films (Bollywood) wie Amir Khan, Shah Rukh Khan, Saif und Salman Khan wurden von der IM aufgefordert, ab sofort nicht mehr in Filmen mitzuwirken, "andernfalls sind wir bereit euch zu töten.". Dies gelte auch für ihre Familienmitglieder. Ähnliche Drohungen wurden auch gegen Maharashtras Ministerpräsidenten Vilasrao Deshmukh sowie gegen Mukesh Ambani, den Vorsitzenden von Reliance Industries Ltd. (RIL), ausgestoßen.

Fachleute nehmen an, dass es sich bei der Indian Mujahideen um eine lose Verbindung von Teilen der Lashkar-e-Toiba, der Harkat ul-Jihad-e-Islami und von der verbotenen SIMI handelt.

Landesweite Verunsicherung

Die Boulevardzeitung Mail Today brachte auf ihrer Titelseite mit den Worten "Nation am Rande der Verzweiflung, Regierung ohne Anhaltspunkte" am 28.7.2008 die landesweite Stimmung und Lage auf den Punkt.

In den letzten Jahren haben insgesamt dreizehn Anschläge circa 500 Menschenleben gekostet. Die Öffentlichkeit sowie Fachleute stellen deshalb zunehmend die Frage, ob die gegen den Terrorismus gerichtete Strategie (counter-terrorism) gescheitert sei, vor allem deswegen, weil es an "menschlicher Intelligenz" fehle. Die Terroristen operierten praktisch ohne den Gebrauch von Telefonen und des Internets. Der indische Staat und das Sicherheitsestablishment hätten keine Lektionen gelernt. "Höchste Sicherheitsstufen" (Red Alerts) in verschiedenen Landesteilen bewirkten nichts. Das indische Innenministerium teilte mit, dass die Sicherheitsorgane in Gujarat gewarnt worden seien. Der Innenminister von Gujarat verglich diese offiziellen Hinweise in der Vergangenheit mit dem "Präzisionsgehalt von Wettervorhersagen".

Indien gilt als das größte Opfer von extern unterstützten terroristischen Aktivitäten. Trotzdem sieht Kanwal Sibbal, früherer Staatssekretär im indischen Außenministerium, keine entschiedenen Aktionen, um den Rechtsapparat durch "Nulltoleranz gegen Terroristen" zu stärken. Außerdem gebe es keine wirklichen Anstrengungen, die Gesellschaft im Ganzen gegen den Terrorismus zu mobilisieren, da hierüber kein interner Konsens bestehe. Die ideologischen und religiösen Quellen dieses Terrorismus würden aus Angst vor einem potenziell wachsenden communal divide heruntergespielt. Lange Zeit sei ein Widerstreben zu beobachten gewesen, den "einheimischen Charakter einiger terroristischer Aktivitäten in Indien [anzuerkennen. ...] Wir kultivierten die Fiktion, das demokratische Indien produziere keine islamischen Terroristen. [...] Die Existenz lokaler terroristischer Zellen in Indien wird deshalb als Pakistans erfolgreiches Werk oder als eine Reaktion auf die Gewalt gegen Moslems in Gujarat in 2002 erklärt." (Kanwal Sibbal: It is high time we shed our illusions about Pakistan, in: Mail Today, 28.7.2008, S. 10).

Kanwal Sibbal spricht von einem "politischen, sozialen, rechtlichen und institutionellen Versagen des indischen Staates gegen den Terrorismus." Sibbal, der von "offensichtlichen dauerhaften lokalen Ursachen des Terrorismus" ausgeht, sieht aber die gegenwärtigen Anschläge auch im weiteren Zusammenhang, der bis nach Afghanistan mit den dortigen geopolitischen Interessen des pakistanischen Militärs reicht, wie dies der jüngste Selbstmordanschlag gegen die indische Botschaft in Kabul – "eine wahre Kriegserklärung an Indien" (Manoj Joshi) – demonstriert habe. Der nationale Sicherheitsberater des indischen Premierministers, M. K. Narayanan, machte dafür die pakistanische Seite öffentlich verantwortlich und der Staatssekretär im indischen Außenministerium Menon vertrat ebenfalls diese Position in den jüngsten Gesprächen mit seinem pakistanischen Amtskollegen in New Delhi, sehr zum Ärger der pakistanischen Seite.

"Indien wird zunehmend in den Mittelpunkt des Terrorismus gezogen" (Kanwal Sibbal) und es dürfte spannend sein zu beobachten, wie sich der indische Staat und die Gesellschaft insgesamt sowohl intern als auch extern im Rahmen der dynamischen geopolitischen Entwicklungen in Süd- und Westasien dazu in Zukunft verhalten werden.

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