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15. Juli 2008. Nachrichten: Indien - Politik & Recht Wandel in Jammu & Kashmir?

N. N. Vohra: Neuer Gouverneur in Krisenzeiten

Die Ereignisse in Jammu & Kashmir überschlugen sich kurz nachdem Narinder Nath Vohra Ende Juni 2008 sein Amt als neuer Gouverneur angetreten hatte. Am 7. Juli 2008 trat Ministerpräsident Azad von seinem Amt zurück. Der nördliche Unionsstaat steht nun unter Governor's Rule.

Tagelange Demonstrationen im muslimischen Kaschmir-Tal richteten sich gegen die Vergabe von Land für die Unterkünfte von Amarnath-Pilgern, die in zunehmend größeren Scharen zu dem Schrein mit seinem in Eis gefrorenen Shiva-Lingam pilgern. Angeblich werde damit die "demographische Unterwanderung" des Kaschmir-Tals betrieben. Daraufhin zog sich der Juniorpartner People's Democratic Party (PDP) wegen der Landvergabe, obwohl mit eigenen Ministern bei der ursprünglichen Entscheidung beteiligt, aus der Regierung zurück. Daraufhin nahmen der neue Gouverneur N.N. Vohra (siehe Personenporträt am Ende dieses Artikels) und der Congress-Ministerpräsident Ghulam Nabi Azad die Landvergabe zurück. Unter Führung des hindu-fundamentalistischen Vishwa Hindu Parishad (Weltrat der Hindus/VHP) kam es zu im überwiegend von Hindus bewohnten Landesteil Jammu zu teilweise gewalttätigen Demonstrationen. Aber auch landesweit, wobei es mehrere Todesopfer in Indore gab, mobilisierten die Hindu-Fundamentalisten ihre Anhängerschaft.

Am 7. Juli 2008 trat nun Ministerpräsident Azad von seinem Amt zurück und stellte nicht mehr die vom Gouverneur geforderte Vertrauensfrage. Diesem Krisenstaat der Indischen Union steht nach Bekanntgabe eines Wahltermins durch die Wahlkommission ein erbitterter politischer Kampf bevor, zumal die Eskalation der Auseinandersetzungen in den letzten Wochen eine seit vielen Jahren nicht mehr erlebte Intensität, unter anderem auch mit anti-indischen Parolen, im Kashmir-Tal und eine von den Hindu-Nationalisten angefachte Kommunalisierung in Jammu erreichte.

N. N. Vohra: Politische Botschaft und Reaktionen zu seiner Ernennung

Die Ernennung des Zivilisten N.N. Vohra - bislang Kaschmir-Beauftragter der indischen Regierung - zum neuen Gouverneur von Jammu & Kashmir soll eine klare Botschaft an Teile der separatistischen Kräfte in diesem Unruhestaat der Indischen Union vermitteln. Vohra, der den pensionierten Armeegeneral S.K. Sinha ablöste, soll maßgeblich dazu beitragen, dass die ursprünglich für November 2008 fälligen Wahlen zum Parlament von Jammu & Kashmir fair und frei verlaufen und möglicherweise sogar unter politischer Beteiligung von separatistischen Gruppen stattfinden können. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass er einen Beitrag zu möglichen neuen Lösungsansätzen in der Kaschmir-Frage im Rahmen des zwischen Indien und Pakistan stattfindenden composite dialogue leisten soll, obwohl es auch gegenteilige Hinweise auf neue Infiltration und das groß angelegte Aufflammen terroristischer Gewalt mit klandestiner pakistanischer Unterstützung gibt.

Die Ernennung des als integer geltenden und ob seiner fachlichen Kompetenz über die Parteigrenzen hinweg geschätzten ehemaligen Mitglieds des Indian Administrative Service (IAS) wurde von Vertretern der politischen Klasse in Jammu & Kashmir allgemein begrüßt: Mehbooba Mufti, die Vorsitzende der zu diesem Zeitpunkt noch als Juniorpartner in Srinagar in Koalition mit dem Congress regierenden People's Democratic Party (PDP), erwartet von dem neuen Gouverneur, "dass sich die Dinge zum Besseren wenden werden". Die Kommunisten erwarten eine politische Lösung der Kaschmir-Frage, "da militärische Lösungen nicht tragfähig seien". Mirwaiz Umar Farooq, der Vorsitzende der All Parties Hurriyat Conference (APHC), ein Konglomerat verschiedenster politischer Kräfte, sieht in Vohra jedoch nur einen "Babu", einen hochrangigen Beamten, der bestenfalls die politischen Gespräche mit der indischen Führung anbahnen könne. Noor-ul-Qamrain von Muslim Kashmir meint dagegen: "Der Posten des Gouverneurs von Jammu & Kashmir unterscheidet sich von Gouverneuren anderer Staaten. Vohras Ernennung zu dieser Zeit deutet eindeutig darauf hin, dass seine Dienste benutzt würden, um alle politischen Gruppen einschließlich der Separatisten zu erreichen."

Kurzprofil: N. N. Vohra

Der an der Punjab Universität und in Oxford/Großbritannien ausgebildete N. N. Vohra gehörte zwischen 1959 bis 1994 dem Indian Administrative Service (IAS) an. Er wirkte in hochrangigen Positionen als Staatssekretär Defence Production im Verteidigungs- und danach als Staatssekretär im Innenministerium. 1997/98 leitete er als Principal Secretary das Büro der Minderheitsregierung von Premierminister Inder Kumar Gujral.

Vohra diente unter anderem als Mitglied des National Security Advisory Board von 1998 bis 2001. Im Jahr 2000 war er Vorsitzender der National Task Force on Internal Security und verfasste den Parlamentsbericht zur inneren Sicherheit. Er fungierte außerdem als Vorsitzender des Review Committee on the Institute of Defence Studies and Analyses (1999-2001) sowie des Committee on the Review of Military Histories (2001-02). Er ist außerdem der Verfasser des brisanten Vohra-Berichtes über den Nexus von Politik und Kriminalität in Indien.

Bereits die von Atal Bihari Vajpayee geführte Regierung der National Democratic Alliance (NDA) setzte ihn in die neu geschaffene Position eines Kaschmir-Beauftragten ein, um einen Dialog der indischen Zentralregierung mit verschiedenen politischen Parteien, kommunalen und religiösen Gruppen, Akademikern und Vertretern der Zivilgesellschaft in Jammu & Kashmir zu initiieren. Die 2004 an die Macht gekommene Regierung der United Progressive Alliance (UPA) bestätigte Vohra in dieser Funktion.

Seit Ende der 1990 Jahre initiierte Vohra als Direktor des India International Centre unter anderem Vorträge mit sehr kritischen Sichtweisen auf das indische Herrschaftssystem und den Zustand der indischen Demokratie, die Denkanstöße für Reformen geben sollten. Seit 2001 bis zu seiner Ernennung als Gouverneur 2008 wirkte Vohra auf indischer Seite als Vorsitzender des India-European Union Round Table. 1

 

 

Fußnote

[ 1 ] N. N. Vohra: The India-European Round Table - Looking Ahead, in: Klaus Voll/ Doreen Beierlein: Rising India - Europe's Partner? Foreign and Security Policy, Politics, Economics, Human Rights and Social Issues, Media, Civil Society and Intercultural Dimensions. Berlin, New Delhi, 2006, S. 1065-1070.

Quellen

(Syed Junaid Hashmi: Kargil Repeat Feared Along J&K Border, in: Mail Today, 16.6.2008, S. 1 und 4 sowie Manoj Joshi: Pak has a Doda Plan, in: Mail Today, 16.6.2008, S. 4)

 

(Aloke Tikku/Arun Joshi: Vohra appointed J&K governor, and here's why, in: The Hindustan Times, 12.6.2008, S.10) 

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