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Der Congress präsentiert den 38-jährigen Generalsekretär Rahul Gandhi, den Erben der politischen Nehru-Gandhi-Dynastie, als sein neues Gesicht. Damit will die Partei vor allem die weitgehend verloren gegangene Basis unter den Dalits und Adivasis wieder gewinnen. Demonstrativ besucht Rahul Gandhi seit Monaten Familien von Dalits und Adivasis in Uttar Pradesh, Orissa, Chhattisgarh sowie Karnataka und äußert sich zunehmend auch zu zentralen Sachfragen, so zum Schicksal von Millionen Bauern. Im Kampf gegen L.K. Advani, dem über 80 Jahre alten Spitzenkandidaten der Bharatiya Janata Party (Indische Volkspartei/BJP) für das Amt des Premierministers, setzt die älteste indische Partei, wenn auch noch vorsichtig, auf die Jugend.
Regierungsumbildung und Erneuerung des Congress
Premierminister Dr. Manmohan Singh ernannte bei der Regierungsumbildung Anfang April die jungen Congress-Politiker Jyotiraditya Scindia (Kommunikation und Informationstechnologie) sowie Jitin Prasada (Stahl) zu Staatsministern. Zudem wurde die Positionen der im Verhältnis zur vorherrschenden politischen Gerontokratie vergleichsweise jungen und kompetenten Staatsminister Jairam Ramesh (Handel) sowie Prithviraj Chavan (Büro des Premierministers) durch die zusätzlichen Portfolios Energie beziehungsweise Personal gestärkt.
Bislang gilt Rahul Gandhi offiziell nicht als Spitzenkandidat für 2009, obwohl ihm Premier Singh angeblich die Position eines Staatsministers im Prime Minister's Office bei der Kabinettsumbildung angeboten hatte. Gandhi widmet sich vielmehr der dringenden Aufgabe, die schwache, in manchen Landesteilen sogar marode Parteiorganisation inhaltlich und organisatorisch auch mit modernen Mitteln der Informationstechnologie zu erneuern. Angesichts der Defizite an innerparteilicher Demokratie scheint eine stärkere Dezentralisierung des Congress längst überfällig.
Kampf um die Stimmen der Dalits und Mayawatis Ziel, Premierministerin zu werden
Der Congress zielt auf die Dalit-Wähler der in Uttar Pradesh mit absoluter Mehrheit regierenden Bahujan Samaj Party (BSP) unter Ministerpräsidentin Mayawati, die den Congress ihrerseits mit ihrem Konzept des "social engineering" (ein Bündnis von Brahmanen, Dalits, Muslimen sowie anderen wichtigen Gesellschaftsgruppen) in mehreren Staaten, so zum Beispiel in Madhya Pradesh, Karnataka und Maharashtra, herausfordert. Bei Nachwahlen im April gewann die BSP in Uttar Pradesh souverän in zwei Wahlkreisen zum Unterhaus und weiteren drei zum Landtag. Sie degradierte damit die "nationalen" Parteien BJP und Congress, aber auch die einst in Uttar Pradesh regierende Samajwadi Party (SP).
Die Konkurrenz zwischen BSP und Congress, der sich in Uttar Pradesh angesichts der nahenden Unterhauswahlen angeblich sogar an die Samajwadi Party von Ex-Ministerpräsident Mulayam Singh Yadav annähert, wird immer deutlicher. Mayawati indes hofft, so erklärte sie auf einer Großveranstaltung in einem sanierten Slumgebiet von Agra vor einer Attrappenkulisse des indischen Parlaments, 2009 Premierministerin werden zu können, falls es keine eindeutigen Mehrheiten geben sollte.
Die BJP rüstet zum Kampf um die Macht
Die eindeutigen Wahlerfolge in Gujarat und Himachal Pradesh Ende 2007 gaben der zuvor von innerparteilicher Dissidenz geplagten BJP starken Auftrieb. Oppositionsführer L.K. Advani stellte in einer gut vorbereiteten Öffentlichkeitskampagne seine Autobiographie "My Country, My Life" vor. Er will sich die Aura des Staatsmannes geben, um das Erbe des wegen Krankheit aus der Tagespolitik ausgeschiedenen Ex-Premiers Atal Bihari Vajpayee antreten zu können. Die wenigen Verbündeten innerhalb der stark gebeutelten Nationaldemokratischen Allianz, die Indien von 1998 bis 2004 regierte, erkennen Advanis Führungsanspruch an.
Mittlerweile hat sich Advani auch mit Narendra Modi, dem Ministerpräsidenten von Gujarat, arrangiert und kann sich diesen sogar als seinen Nachfolger vorstellen.Die Marke Modi ist gefragt, denn die BJP muss sich aus der Regierung heraus den Wählern in Rajasthan, Madhya Pradesh und Chhattisgarh stellen und damit gegen den "Amtsmalus" (anti-incumbency-factor) kämpfen. Die jüngsten innerparteilichen Machtkämpfe in Maharashtra, wo es auch um die Repräsentanz von Other Backward Castes and Classes in Führungspositionen der Partei ging, konnten von der BJP-Führung in Delhi schließlich beigelegt werden. In Uttar Pradesh, das fast 15 Prozent der Mandate im indischen Unterhaus stellt, zeigen sich bislang allerdings keine Anzeichen für eine Wiederbelegung für die dort in den 1990er Jahren regierende BJP mit ihrer begrenzten nationalen Reichweite.
Indiens Kommunisten wollen eine dritte Alternative
Indiens größte Linkspartei, die Communist Party of India (Marxist) (CPI/M), hat den indisch-amerikanischen Vertrag zur zivilen Nutzung von Nuklearenergie, der gleichzeitig Indiens Status als international anerkannte Nuklearmacht legitimieren würde, durch ihre "anti-imperialistische", gegen die USA gerichtete Politik praktisch zu Fall gebracht. Die Minderheitsregierung der United Progressive Alliance (UPA) wäre bei einem Festhalten an dem Abkommen wohl gestürzt, denn die BJP und andere wichtige Parteien lehnen es, zumindest in seiner gegenwärtigen Form, wenn auch nicht grundsätzlich, ab. Die CPI/M verhinderte außerdem weitere der von ihr als "neoliberal" kritisierten Wirtschaftsreformen der Regierung, wie zum Beispiel eine Teilprivatisierung verschiedener Unternehmen des öffentlichen Sektors.
Auf ihrem Parteitag Ende März in Coimbatore gab sich die CPI/M ein neues Programm und verabschiedete sowohl Surjeet Singh, früherer CPI/M-Generalsekretär und ein Meister machiavellistischer Schachzüge, als auch Jyoti Basu, langjähriger CPI/M-Ministerpräsident von Westbengalen, beide über 90 Jahre alt, aus dem Politbüro. Nach dem Ausscheiden von Singh befindet sich nun kein einziger Politiker aus dem nordindischen Kernland mehr im Politbüro. Indirekt wird dadurch deutlich, dass die Partei – mit ihren Hochburgen West Bengal, Kerala und Tripura, dort gewann sie gerade die Parlamentswahl zum vierten Mal in Folge – über keinen Politiker von Format im Hindi-Gürtel verfügt und deshalb dort in absehbarer Zeit kaum Fuß fassen dürfte. Zu bestätigen scheint sich damit die Prognose von Indrajit Gupta, einst Innenminister und Generalsekretär der Communist Party of India (CPI), der ältesten indischen Kommunistischen Partei: "Wir haben uns am Kastenwesen in Nordindien die Zähne ausgebissen, das wird auch in hundert Jahren noch so sein."
Schwierigkeiten mit den linken Allianzpartnern in Westbengalen, Dissidenz und Fraktionskämpfe vor allem in Kerala, ein Schwund von mehr als 10 Prozent der Mitglieder, darunter viele unter Angehörigen der religiösen Minderheiten, und die Tatsache, dass nur etwa jedes zehnte Parteimitglied eine Frau ist, gehören zu den Problemen der de facto "sozial-demokratisierten" CPI/M, deren "revolutionärer Charakter" im Laufe der letzten Jahrzehnte sichtlich erodiert ist.
Trotz gewalttätiger Exzesse von CPI/M-Kadern zur Niederschlagung des Widerstandes gegen die Einrichtung von Sonderwirtschaftzonen zugunsten nationaler und internationaler Konzerne in Nandigram und Singur billigte der Parteitag die Industriepolitik von Buddhadeb Bhattacharjee, Ministerpräsident von Westbengalen. Allerdings wird dieses Industrialisierungsmodell, für das Bhattacharjee keine Alternative sieht, als wesentliches Hindernis für ein weiteres Anwachsen der Partei in anderen Landesteilen gesehen.
CPI/M-Generalsekretär Prakash Karat setzt für die Zeit nach 2009 auf eine "dritte Front" jenseits von Congress und BJP. Ein besseres Wahlergebnis als 2004 wird für die Linke jedoch nicht erwartet. Aus diesem Grund zeichnen sich bislang, trotz vieler Übereinstimmungen mit der United National Progressive Alliance, also mit der Telegu Desam Party in Andhra Pradesh, der Samajwadi Party in Uttar Pradesh und weiteren kleineren regionalen Parteien, kaum Mehrheiten für das Projekt ab.
Perspektiven
Die Regierung hat mit ihrem Haushaltsentwurf für das Finanzjahr 2008/09 alle populistischen Voraussetzungen geschaffen, um mit durchaus kostspieligen Wahlgeschenken für wichtige Wählergruppen, unter anderem für die Bauernschaft, der die Rückzahlung von staatlichen Darlehen erlassen wurde, für religiöse Minderheiten und das politisch einflussreiche Millionenheer der Regierungsangestellten, eine Erneuerung ihres Regierungsmandats sicher zu stellen. Der Oberste Gerichtshof billigte zudem, allerdings mit Auflagen, die zuvor heftig umkämpften Reservierungen für Other Backward Castes and Classes in Bildungseinrichtungen. Dies könnte sich nach Ansicht von Experten bei den anstehenden Wahlen für den Congress als vorteilhaft erweisen.
Die internationale Finanzkrise, die auch an Indien keineswegs spurlos vorüber geht (der Aktienindex Sensex an der Börse in Mumbai fiel beträchtlich und vernichtete enorme Summen), sowie die hohen Importpreise für Rohöl und Nahrungsmittel haben jedoch zu einem schnellen Anstieg der Verbraucherpreise geführt, der sowohl die unteren Mittelschichten sowie vor allem die Arbeiterschaft und die ärmere ländliche Bevölkerung hart trifft. Damit drohen die globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen das mühsam aufgebaute politische Kapital der Regierung Singh zu neutralisieren oder gar zu vernichten.
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