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Der aus Peking kommende britische Premierminister Gordon Brown weilte am 20. und 21. Januar 2008 zu einem Arbeitsbesuch in New Delhi. Begleitet von einer hochrangigen Unternehmerdelegation und Leitern führender Universitäten betonte Brown die gemeinsamen Interessen in einer Partnerschaft unter Gleichen, die Anerkennung einer globalen indischen Rolle "mit einem Sitz an der Spitze des Tisches", das wachsende wechselseitige Wirtschaftsengagement sowie die Bereitschaft seines Landes, zur Entwicklung der Menschen in den nicht vom indischen Wirtschaftsboom erfassten Teilen des Subkontinents gezielt beizutragen.
Im Gegensatz zu ambivalenten chinesischen Formulierungen betonte Gordon Brown, der erstmals als Premierminister nach Indien kam, während seiner Rede auf dem UK-India Entrepreneurship Summit im Indian Institute of Technology (IIT) in Delhi unmissverständlich: "Indien sollte ein Mitglied des UN-Sicherheitsrates werden." Er plädierte angesichts der neuen weltpolitischen Realitäten auch für eine Erweiterung der G8 unter Einbeziehung der bisherigen Outreach-Länder einschließlich Indiens, eine Entscheidung, die 2007 in Heiligendamm verschoben wurde. Gordon Brown: "Indien erfüllt eine zunehmend wichtige Rolle in globalen Angelegenheiten. Sowohl Indien als auch England stimmen darin überein, dass die in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts geschaffenen globalen Institutionen veraltet sind und nicht mehr ihren Zweck erfüllen. – Es gibt keine Zukunft für irgendeinen großen Wirtschaftsblock, der Indien nicht einschließt."
Globale und regionale Sicherheitsfragen sowie die Abwehr von Terrorismus spielten in den Gesprächen mit Premierminister Manmohan Singh und Außenminister Pranab Mukherjee ebenfalls eine wichtige Rolle. Mit Blick auf den international operierenden Terrorismus regte Brown eine verstärkte Zusammenarbeit mit Hilfe moderner Überwachungseinrichtungen in Flug- und Schifffahrtshäfen an, um den Transport von Waffen und Sprengstoff aufzudecken. Brown schlug vor, dass Indien der Financial Action Task Force (FATP) beitreten sollte, die Maßnahmen gegen die Finanzierung des Terrorismus durchführt.
Brown, der auch auf die enge Zusammenarbeit mit Indien in internationalen Organisationen verwies, sieht eine wichtige Rolle sowohl für China als auch für Indien bei der Deeskalation der Gewalt in Burma (Myanmar). Er forderte die Einbeziehung von Aung San Suu Kyi bei einer Lösung des Konflikts. In Burma verfolgt Delhi eine sehr an seinen geopolitischen und Energie-Interessen orientierte Politik. Auch die brisante innenpolitische Lage in Pakistan und ihre Auswirkungen auf West-, Zentral- und Südasien wurden erörtert. Die Entwicklungen in Pakistan mit ihren Auswirkungen auf die indische Sicherheitslage werden in Indien auf den verschiedensten Ebenen mit größter Aufmerksamkeit verfolgt.
In einem vor seiner Ankunft in der Tageszeitung The Hindu erschienenen Artikel betonte Gordon Brown, dass es erstrebenswert sei, die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen beiden Ländern zu beschleunigen. "Obwohl wir einer der führenden Investoren in Indien sind, möchte ich noch mehr britische Unternehmen sehen, die hier ihre Geschäfte tätigen und mehr indische Unternehmen, die das Vereinigte Königreich als ihre globalen Hauptquartiere wählen," so Brown, der unter anderem auch von seinem Handelsminister begleitet wurde. Eine britische Bank sei daran interessiert, 100 Zweigstellen in ländlichen Gebieten Indiens zu errichten.
Brown weihte in Greater Noida, jenseits der Yamuna im Osten von Delhi, eine Firma zur Herstellung von hochwertigen Autoteilen und Zubehör ein, die zur Caparo-Gruppe des in England lebenden Inders Lord Swraj Paul gehört. Sie will in den nächsten zehn Jahren circa eine Milliarde US-Dollar in zehn bereits im Bau befindliche Firmen vor allem auch im Großraum von Chennai in Tamil Nadu investieren. Die Caparo-Gruppe zielt unter anderem auf den Autohersteller Tata Motors ab, der in Westbengalen den billigsten Wagen der Welt, den indischen "Volkswagen" Nano, mit einer Stückzahl von vorläufig 250.000 aber perspektivisch sogar bis zu einer Million Wagen herstellen wird.
Der britische Premier, der auch auf die wichtige Funktion der Brückenbildung durch Paul und andere indische NRIs (Non-Resident Indians) verwies, erwähnte den Erwerb des britischen Stahlwerks Corus durch die Tata-Gruppe (Tata Corus) und machte auf die große Auslandsinvestition von Vodafone mit der Übernahme eines indischen Unternehmens aufmerksam. Vodafone mit gegenwärtig 14 Millionen indischen Kunden will in wenigen Jahren 100 Millionen in diesem Wachstumsmarkt in Indien erreichen und erwartet dort große Profite. Virgin-Chef Richard Branson strebt in dieser Branche ein gemeinsames Unternehmen mit den Tata-Teleservices an.
Mit 1,9 Milliarden US-Dollar nahm Großbritannien 2007 die zweite Stelle unter den ausländischen Investoren ein. Brown betonte, dass wirtschaftliche Abschlüsse im Wert von circa 10 Milliarden US-Dollar unterschriftsreif seien. Indien seinerseits ist der zweitgrößte Investor aus Asien in Großbritannien. Der Handel zwischen Indien und Großbritannien verdoppelte sich innerhalb der letzten fünf Jahre bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 20 Prozent. Das Vereinigte Königreich ist Indiens viertgrößter Handelspartner mit einem Anteil von 3,56 Prozent am indischen Außenhandel 2006/07.
Die rüstungspolitische Zusammenarbeit fand während dieses Besuchs nach außen hin keinerlei Erwähnung. Trotzdem ist Großbritannien auf diesem Markt angesichts der großen indischen Nachfrage nach hochwertigen Militärgütern sehr interessiert, wie – nach jahrelangen Verhandlungen – nicht zuletzt die Lieferung von sehr kostspieligen Ausbildungsflugzeugen an Indien im vergangenen Jahr zeigte.
Das britische Department for International Development (DFID) wird in den nächsten Jahren ein neues Programm, das sich auf Gesundheit, Ernährung und städtische Entwicklung konzentriert, im Armenhaus Bihar breitenwirksam durchführen. Für Projekte in Indien kündigte Brown für die nächsten drei Jahre Gelder in Höhe von insgesamt 825 Millionen britischen Pfund an.
Vertreter der Oxford University und des Imperial College London unterzeichneten mit indischen Partnern Verträge. Brown forderte eine stärkere Forschungszusammenarbeit, so zum Beispiel bei der Nano-Technologie. In der Nähe der Bildungsmetropole Pune in Maharashtra wird die Universität von Oxford erstmals in ihrer 800-jährigen Geschichte ein Oxford University Business Centre als Teil ihrer Said Business School errichten. Neben einem Ausbildungsgang liegt der Schwerpunkt auf der Erforschung der indischen Wirtschaft. In zahlreichen Disziplinen, so zum Beispiel. der theoretischen Physik, findet bereits eine Forschungskooperation zwischen britischen und indischen Einrichtungen statt. Die Oxford University führt 2008 einen Postgraduierten-Kurs über das zeitgenössische Indien ein.
Die englische Sprache verbindet. Gegenwärtig studieren etwa 20.000 indische Studenten in Großbritannien. Brown regte an, dass in Zukunft mehr britische Studenten auch in Indien studieren sollten. In den nächsten fünf Jahren werde der British Council, der sich auch zunehmend in der Berufsausbildung engagiert, zusammen mit indischen Partnern 300.000 Lehrer in der englischen Sprache ausbilden.
Es wurden außerdem Vereinbarungen zur Verbesserung der Berufsausbildung, ein brennendes Thema in Indien, und über die Kommerzialisierung von in Indien entwickeltem intellektuellem Eigentum unterzeichnet.
Der britische Umweltminister Phil Woolas kritisierte in Peking am Vorabend der Brown-Visite sehr undiplomatisch indische Positionen in Fragen des Klimawandels: "Die chinesische Zentralregierung ist Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Indien ist schwieriger. Obwohl es jetzt die Wirklichkeit des von Menschen gemachten Problems anerkennt, legt es sich nicht tüchtig ins Zeug. Seine Grundhaltung und öffentlichen Erklärungen sind, dass westliche Regierungen das Problem geschaffen und es deshalb auch lösen müssten." Kritiker verwiesen darauf, dass Peking, im Gegensatz zu Delhi, britische Erzeugnisse gegen Umweltverschmutzung gekauft habe. Im Prinzip seien die Positionen Chinas und Indiens, wie bei der Klima-Konferenz in Bali Ende 2007 demonstriert, weitgehend identisch.
Brown selbst verwies auf "die katastrophalen Folgen des Klima-Wandels für Indien" und die selbst auferlegte gesetzliche Verpflichtung seines Landes, die Kohlenstoff-Reduktion bis 2020 um 32 Prozent und bis 2060 um 60 Prozent voranzutreiben. "Wir sind fest entschlossen Ländern wie Indien zu helfen, um durch Baukapazitäten, Finanzen und Technologietransfers sicher zu stellen, dass sein Wachstum Klima verträglich ist."
Die Universität von Delhi zeichnete, gegen den Widerstand der links orientierten Democratic Teachers' Front wegen der britischen Unterstützung des Kriegs im Irak, den britischen Gast, der früher am einem Kolleg für Technologie in Glasgow unterrichtete, mit der Ehrendoktorwürde aus. Die Verleihung erfolgte durch den indischen Vizepräsidenten Mohammad Hamid Ansari, der qua seiner Position auch Kanzler dieser Universität ist, an der Studenten aus 60 Ländern studieren.
Die älteste und die größte Demokratie der Welt arbeiteten für gemeinsame Ziele, so Gordon Brown, der in Zukunft die "besten Elemente Indiens in Großbritannien popularisieren" will. In scharfem Kontrast dazu stehen die Äußerungen der Sprecher von ca. 30.000 Indern, die sich in Großbritannien als so genannte "High Skilled Manpower" (HSPMP), darunter auch zahlreiche Ärzte, aufgrund einer neuen Gesetzgebung zur Einwanderungspolitik diskriminiert fühlen und um ihre Arbeitserlaubnisse sowie Aufenthaltsgenehmigungen, fürchten müssen. Eine Million britische Staatsbürger, so Brown, seien indischen Ursprungs und trügen zu etwa 5 Prozent des britischen Bruttosozialprodukts bei. Indien weise heute mehr Milliardäre als Großbritannien auf.
Die Briten verfügen unter den europäischen Staaten über die am Besten ausgebaute Botschaft in Indien, speziell auch in der politischen Abteilung. Hochrangige Inder werfen unter anderem den Deutschen vor, dass sie kein wirklich eigenes Profil zeigten und zu sehr der britischen Linie in wichtigen Fragen folgten bzw. eine gesamteuropäische Perspektive vermissen lassen. Es war jedoch interessant zu beobachten, dass Europa als politische Einheit von Brown zumindest gegenüber der Öffentlichkeit nicht speziell erwähnt wurde. Dies spiegelt sich auch im privat geäußerten Vorwurf des Botschafters eines kleineren europäischen Landes wieder, der bemerkte, dass die größeren europäischen Mächte auch während der EU-Präsidentschaft eines kleineren Landes nicht bereit seien, ihre Kenntnisse und Informationen über Indien wirklich zu teilen. Das nationale Eigeninteresse überwiegt offensichtlich immer wieder und deshalb ist es wohl noch ein langer Weg, bis Europa als erkennbare Einheit in all ihrer Vielfalt sich in Indien ausreichend profiliert.
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