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Die Spitzendiplomatin Meera Shankar, indische Botschafterin in Deutschland, und Bernd Mützelburg, ihr deutscher Kollege in Indien und ehemaliger Sicherheitsberater von Gerhard Schröder, stellten die positiven Seiten der indischen Wirtschaftsentwicklung und insbesondere die makro-ökonomischen Indikatoren (Wirtschaftswachstum von über 8 Prozent, 32 Prozent Spar- und 33,8 Prozent Investitionsrate, hohe Devisenreserven sowie ausländische Direktinvestitionen von ca. 15-16 Milliarden US-Dollar in 2006-7) der letzten Jahre eloquent in den Vordergrund. Nach dem Dienstleistungsbereich verzeichne nun auch der industrielle Sektor – so unter anderem bei Stahl, Zement, Maschinen- und Automobilbau etc. – jährliche Wachstumsraten von über 10 Prozent.
Die großen indischen IT-Unternehmen seien mit hohen Exportzuwachsraten international wettbewerbsfähig. IBM und SAP würden in den nächsten Jahren Milliardenbeträge in Indien investieren, unter anderem auch in die Grundlagenforschung. Bio-Technologie, gerade im Forschungsbereich, biete einen Zukunftsmarkt. Eine große Herausforderung stelle jedoch die Infrastruktur dar, in deren Auf- und Ausbau nach dem elften Fünf-Jahresplan bis 2012 etwa 330 Milliarden US-Dollar investiert werden sollen, so Meera Shankar. Für deutsche Unternehmen böten sich also gute Chancen bei der Modernisierung von Flughäfen, Häfen, Energiewirtschaft und Straßennetz. Insgesamt machten 69 Prozent ausländischer Unternehmen in Indien höhere Profite als in anderen Ländern. Sichtlich stolz wies die indische Botschafterin auf die beträchtlichen Auslandsinvestitionen indischer Großunternehmen wie Tata, Birla, Dr. Reddie’s und Infosys auch in Europa und den USA hin. Ihr Gesamtvolumen übersteige gegenwärtig sogar die Auslandsinvestitionen in Indien. Allerdings gelte es, den mit Herausforderungen gepflasterten, hohen wirtschaftlichen Wachstumspfad politisch und sozial nachhaltig abzusichern.
Bernd Mützelburg, der mit Verweis auf die Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amtes zum Aufstieg Asiens die immer noch bestehende China-Lastigkeit in Deutschland kritisierte, nannte Indien einen Partner erster Wahl. Es gäbe nur wenige Länder dieses Kalibers mit gemeinsamen Wertvorstellungen und Interessen, weshalb die deutsche Politik eine wirkliche strategische Partnerschaft anstrebe. (Bundeskanzlerin Angela Merkel startet Ende Oktober 2007 zu ihrem ersten Indien-Besuch.) Mützelburg nannte neben der Bio- vor allem die Nano- und Pharma-Industrie als zukunftsträchtige Märkte in Indien. Ausländische Unternehmen nutzten diesen Standort für ihre Produktentwicklungen im Rahmen ihres globalen Engagements. Er verwies trotz der seiner Ansicht nach stimmenden "fundamentals" in Indien aber auch auf das Phänomen der Massenarmut.
Die Veranstalter stellten allen Teilnehmern, die jeweils fast 2.000 Euro für die Veranstaltung zahlten, einen sehr detaillierten Seminarordner mit allen Referaten und PowerPoint-Präsentationen zur Verfügung. Nach insgesamt sieben Themenkreisen gegliedert, sprachen 24 deutsche und indische Referenten, letztere sogar knapp in der Überzahl, über indische Unternehmensübernahmen und Investitionen in Deutschland, Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Firmen im IT-Sektor, indische Infrastruktur und den Energiemarkt, den neuen Flughafen von Bangalore, die Rechtsgrundlagen bei Unternehmensgründungen in Indien, über die Fusionen und den Erwerb von Firmen und die Erfahrungen mit Joint Ventures. Die sehr anschaulichen Praxisberichte über Geschäftserfolge in Indien zeigten auch, wie wichtig letztlich interkulturelle Kompetenzen für kleine und mittelständische Unternehmen sind, gerade auch um der recht hohen Mitarbeiterfluktuation in Indien zu begegnen. Im Gegensatz zu den großen multinationalen Konzernen, so eine Umfrage des Handelsblatts, sind die kleineren Unternehmen bislang noch relativ vorsichtig was Investitionen in Indien betrifft.
Die Veranstaltung dokumentierte das beachtliche Interesse auf deutscher und teilweise auch österreichischer Seite, trotz des für viele sehr unübersichtlichen politischen und gesellschaftlichen Systems den Schritt zum wirtschaftlichen Engagement in Indien zu wagen. Darunter befanden sich sicherlich auch einige Glücksritter, die sich im indischen Grundstücksmarkt schnelle Gewinne erhoffen, aber auch etwas zu spät gekommene regionale deutsche Bankenvertreter in Indien, die angeblich zum Opfer beträchtlicher bürokratischer Verzögerungen seitens des indischen Finanzministeriums geworden sind. Einige in Deutschland ansässige Zulieferer renommierter deutscher Unternehmen in Indien werden mittlerweile von diesen gedrängt, auch dort Produktionsstätten zu errichten. Einem seit über drei Jahrzehnten in Deutschland erfolgreichen indischen Unternehmer, der sich nach dem Studium hier eine kleinindustrielle Existenz aufbaute, war dieser mit vielen Unwägbarkeiten verbundene Gedanke noch keineswegs ganz geheuer, während ehrgeizige deutsche und österreichische Kollegen förmlich vor Eifer brannten, sich angesichts der Größe des Marktes, der komparativen Vorteile und der zu erwartenden Gewinne den Herausforderungen zu stellen.
Die einzelnen Themenkreise wurden kompetent geleitet. Vielleicht sollten die Veranstalter in Zukunft aber verstärkt darüber nachdenken, wie sie die Teilnehmer noch intensiver in die Diskussionen einbeziehen können. Auch sollten die kritischen Dimensionen des indischen Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems nicht unter den Teppich gekehrt, sondern angemessen benannt werden, um ein realistisches Bild des "Boomlandes Indien" zu zeichnen, denn dies dürfte langfristig im Interesse beider Länder und ihrer Menschen liegen.
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