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26. Juli 2006. Nachrichten: Wirtschaft & Soziales - Südasien Kinderhunger in schillernden Farben

Die Hälfte aller untergewichtigen Kinder der Welt leben in Südasien

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) veröffentlicht jährlich drei wichtige Publikationen zur Lage der Kinder weltweit. Dazu gehört neben dem jährlichen Tätigkeitsbericht und dem allgemeinen Situationsbericht "The State of the World's Children" auch der Bericht "Progress for Children". 2006 war er unter dem Titel "A Report Card on Nutrition" dem Thema Ernährung gewidmet. Was angesichts vieler bunter Bilder auf den ersten Blick das Auge erfreut, birgt erschütternde Statistiken und Berichte über die Ernährungssituation der Kinder dieser Welt. Besonders traurig ist demnach die Situation in Südasien, wo 73 Millionen Kinder untergewichtig sind.

Die Ergänzung zum Jahresbericht des Kinderhilfswerks erschien im April/Mai 2006 zum vierten Mal. Nachdem vergangene Ausgaben sich Themen wie Bildung oder Geschlechtergerechtigkeit gewidmet hatten, wurden nun Daten präsentiert, welche die Ernährungslage von Kindern in verschiedenen Ländern und Regionen im Sinne der acht Millenium Development Goals (MDGs – Milleniums-Entwicklungsziele) intensiver analysieren. Die MDGs wurden im September 2000 auf der 55. UN-Generalversammlung in einer Millenniums-Erklärung festgelegt und stellen einen Katalog von grundsätzlichen und verpflichtenden Zielsetzungen für alle UN-Mitgliedstaaten dar. Das Hauptziel ist die weltweite Halbierung der Armut bis 2015. Andere wichtige Ziele sind die Bekämpfung von Hunger und schweren Krankheiten, die Gewährung von Schulbildung für Kinder, die Verminderung der Kindersterblichkeit, die Gleichstellung der Geschlechter usw.

"A Report Card on Nutrition" erklärt und zeigt die Veränderungen bezüglich der Ernährungssituation der Kinder weltweit. Um dem Leser einen guten Überblick über die Situation und Statistiken zu bieten, wählten die Autoren Karten und Graphiken in leuchtenden Farben. Unterteilt ist der Bericht in zehn Kapitel, ein Vorwort und eine ausführliche tabellarische Übersicht über die wichtigsten Daten aller einzelnen Länder zum Thema Ernährungssituation der Kinder. Im Heft werden Faktoren und Kampagnen erklärt, die dazu beitragen, Unterernährung weltweit zu reduzieren, wie zum Beispiel das Stillen von Säuglingen bis zum sechsten Lebensmonat, die Nahrungsergänzung mit Vitamin A oder der Gebrauch von Jodsalz. Eine Einteilung in geographische Regionen erleichtert die Betrachtung der Umsetzung dieser Kampagnen in entwicklungsbedürftigen Ländern.

Südasien schneidet in dem Bericht besonders schlecht ab. 29 Prozent der Kinder unter fünf Jahren leben in Südasien; davon ist knapp die Hälfte untergewichtig. Über die Hälfte der bei Geburt untergewichtigen Kinder wird im südasiatischen Raum geboren, ein Drittel davon in Indien. Obwohl die Anzahl der untergewichtigen Kinder in der Region jedes Jahr um 1,7 Prozent sinkt, wird dies nicht dafür ausreichen, das Millenium-Entwicklungsziel der Reduzierung der untergewichtigen Kinder unter fünf Jahren zu erfüllen. Innerhalb der einzelnen Länder gibt es allerdings große Unterschiede. So werden Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, die Malediven und Sri Lanka dieses Ziel wahrscheinlich erreichen, während die Fortschritte in Indien, Pakistan und Nepal sehr bescheiden sind.

Darüber hinaus findet sich nur in Südasien das Phänomen, das der Zugang zu einer ausgewogenen Ernährung und zu gesundheitlicher Versorgung vor allem Frauen verwehrt bleibt. Südasien ist die einzige Region in der Welt, in der mehr Mädchen als Jungen untergewichtig sind. Eine von drei Frauen in Indien ist untergewichtig und damit gefährdet, einen ebenfalls untergewichtigen Säugling zu gebären.

In der Zusammenfassung des Berichts wird davor gewarnt, die speziellen Probleme der Kinder isoliert zu betrachten. Gefahren wie HIV/AIDS und das Fehlen von sauberem Trinkwasser sowie gesundheitlicher Versorgung, so wird erläutert, wirkten sich auch auf die Situation der Kinder verheerend aus. Es werden Vorschläge formuliert, die Ernährungssituation der Kinder durch ein Vier-Punkte-Programm zu verbessern. UNICEF spricht sich dafür aus, zuallererst auf Mikroebene Familien mit Informationen und Mitteln zu versorgen, um selbst ihre gesundheitliche Lage und die Ernährungssituation zu verbessern. Auf mittlerer Ebene soll Gebieten und Gemeinschaften der Zugang zu sauberem Wasser und gesundheitlicher Versorgung erleichtert werden. Auf Makroebene sollten die Gesundheit von Kindern und ihre Bedürfnisse auf der Agenda der nationalen Politik stehen. Auf globaler Ebene sollten alle Vorraussetzungen, die Milleniums-Entwicklungsziele zu erreichen, gesichert werden, auch durch die Bereitstellung finanzieller Mittel.

Auch andere internationale Hilfswerke und nicht-staatliche Organisationen machen seit Jahren auf die schwierige Lage von Kindern in Südasien aufmerksam. Besonderes Augenmerk wurde in der letzten Zeit dem Thema Kinderarbeit in der Region gewidmet. So gibt es verschiedene Veröffentlichungen z. B. von Organisationen wie der Welthungerhilfe und dem International Labour Office, zu diesem Thema. 2006 wurde in den Medien ein neues Gesetz der indischen Regierung (Child Labour Act) diskutiert, das Kinderarbeit zwar in weiteren Bereichen ab Oktober einschränkt, aber immer noch nicht rigoros verbietet. Doch auch jetzt sind schon zahlreiche Gesetze gegen Kinderarbeit vorhanden, ohne dass ihnen nachhaltig Wirkung verschafft wird.

Auf den Internetseiten der Welthungerhilfe findet man einen kritischen, detaillierten Artikel, in dem die Befürchtung ausgesprochen wird, die neue Gesetzgebung in Indien würde nur ein zusätzlicher Papiertiger werden. Was fehle, seien Kontrollorgane und eine Ausweitung des Verbotes, das die Kinderarbeit auch in der Landwirtschaft verbieten würde, wo 70 Prozent der Kinder tätig sind. Der Schulbesuch ist in Indien seit 2005 (Draft Right to Education Bill) für alle Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren kostenlos und obligatorisch.

Aber Anspruch und gesellschaftliche Wirklichkeit sind nach wie vor weit voneinander entfernt, wie der dieses Jahr erstmals veröffentlichte Bericht des International Labour Office zur weltweiten Kinderarbeit ("The End of Child Labour – Within Reach") zeigt. In einem kurzen Abriss über Kinderarbeit in Südasien ("ILO Fact Sheets on Child Labour in Asia") werden Zahlen und Fakten summiert. Realität ist, dass der Raum Südasien mit seinen 122, 3 Millionen arbeitenden Kindern die größte Zahl der Kinderarbeiter weltweit stellt und dass diese Kinder häufig Bedingungen ausgesetzt sind, die Körper und Seele ruinieren.

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