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Die Dalits (Kastenlose, "Unberührbare") versuchten zunächst unter ihrem ersten Führer Dr. Babasaheb Bimrao Ambedkar ihren Protest gegen die starke Diskriminierung in ihrem Land durch massenhafte Übertritte zum Buddhismus zu bekunden und so dem Fluch des Kastensystems zu entkommen. Vor etwa 15 Jahren begannen sie, sich politisch zu engagieren und eigene Organisationen und Parteien wie die Bahujan Samaj Party oder die Lok Jana Shakti zu gründen.
Der Sternmarsch, der am 6. Dezember in Jammu im Norden, in Delhi, in Kalkutta im Osten und in Kanyakumari im Süden begann, ist ein Ausdruck dessen. Er soll der Dalit-Bewegung weitere Impulse und Nachdruck verleihen und ihr noch geduldig leidendes Millionenheer für den Kampf um Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit mobilisieren. Vom Nationalen Rat für den Schutz von Menschenrechten organisiert, zog der "Dalit Swadhikar Marsch" inzwischen durch 20 Unionsstaaten, ehe er am 16. Januar in Mumbai zur Eröffnung des 4. Weltsozialforums sein Ziel erreicht. Auf Dutzenden öffentlichen Meetings, in Diskussionsrunden und auf Kulturveranstaltungen machten die Teilnehmer auf die Lebensverhältnisse und Sicherheitsprobleme der Dalits aufmerksam. Jeder Auftritt stand unter dem Motto "Eine andere Welt, in der Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden für alle Menschen obsiegen".
Mit dem Sternmarsch wurden zig tausende Bürger zugleich über globale Probleme der Menschheit sowie über Auswirkungen neoliberaler Politik und der Globalisierung auf die sozialökonomische Lage der "Unterprivilegierten" und über die Einbindung der Dalits in die neuen sozialen Bewegungen informiert. Dem Anliegen dieser rund 200 Millionen Menschen umfassenden sozialen Schicht wird auf dem Forum in Mumbai in den Themenkomplexen "Kastenwesen, Rassismus und Diskriminierung anderer Gruppen" sowie "Religion, ethnische und linguistische Ausschließung und Unterdrückung" Gehör verschafft.
Gesprächsstoff über die Lage der Dalits gibt es genug. Noch sind Meldungen über Vergewaltigungen von Dalit-Frauen und die Ermordung aufmüpfiger" Unberührbarer, die auf ihre in der Verfassung verankerten Grundrechte pochten und sich beispielsweise nicht an das Verbot der Wasserentnahme aus dem Dorfbrunnen hielten, keine Seltenheit. Solche Vorkommnisse gehören noch immer zum Alltag, auch wenn es inzwischen ein staatlich sanktioniertes Quotensystem für Dalits gibt. Es sichert ihnen unter den Kategorien "registrierte bzw. rückständige Kasten" eine Anzahl von Studienplätzen sowie Jobs in öffentlichen Einrichtungen.
Diese Quotenregelung wurde von der Kongresspartei vornehmlich aus wahltaktischen Gründen eingeführt und von der Indischen Volkspartei (BJP) aus den gleichen Erwägungen weiter ausgebaut. Ähnlich buhlen die beiden Parteien auch mit anderen Projekten um die Gunst der Dalits. So erheben beide Anspruch, verantwortlich für die Umgestaltung des Sterbehauses von Dr. Ambedkar in Delhi in ein Museum und für die Umbenennung der Stadt Mhow im Unionsstaat Madhya Pradesh in Ambedkarnagar zu sein.
Während die Kongresspartei mehrere Unberührbare mit Parteifunktionen betraute und sich mit ihrem Vorstoß brüstet, die Dalit-Quotenregelung auch für die Privatwirtschaft zu übernehmen, verweist die BJP sogar auf vier Staatsminister, die Dalits sind. Insgesamt bekleiden in der regierenden Nationalen Demokratischen Allianz neun Kastenlose Ministerposten. Trotz dieser "Vorzeige-Dalits" sind die Herzen der Unberührbaren in den letzten Jahren nicht massenweise der BJP und ihren Organisationen zugeflogen, denn abgesehen von den Diskriminierungen im Alltag blieben starke Zweifel an der Redlichkeit der Politiker. Wie sonst hätten sie gerade den 6. Dezember (Ambedkars Geburtstag) 1992 zum Sturm auf die Babri-Moschee in Ayodhya und im Mai 1998 gerade den höchsten buddhistischen Feiertag für die Atomtests ausgewählt?
Schwerer noch wiegt, dass die marktwirtschaftlichen Reformen an den miserablen Lebensbedingungen der Unberührbaren bislang nichts änderten. Der Sternmarsch auf Mumbai wird nicht ihre letzte Massenaktion sein.
Quelle: Der Beitrag erschien am 13. Januar 2004 in der Tageszeitung "Neues Deutschland".
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