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Die bisher regierende People’s Alliance (PA) unter Führung der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) büßte 30 Mandate ein, ihre 77 Abgeordneten bilden mit den 16 (2000: 10) Abgeordneten der Janatha Vimukthi Peramuna (Volksbefreiungsfront, JVP) die Opposition.
Trotz des recht deutlichen Wahlsiegs ist die UNP unter Führung von Ranil Wickremesinghe, der am 9. Dezember als neuer Premierminister vereidigt wurde, zur Zusammenarbeit mit der SLFP verdammt. Deren Vorsitzende Chandrika Kumaratunga wird noch bis Ende 2005 das Präsidentenamt innehaben. Als Präsidentin ist sie unter anderem Oberkommandierende der Streitkräfte und hat die Möglichkeit, frühestens ein Jahr nach den Wahlen das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Die weitreichenden Kompetenzen hatten bisher den Premier völlig vom Willen der Präsidentin abhängig gemacht. In der neuen Situation eines Premierministers aus dem rivalisierenden Lager müssen nun Möglichkeiten einer “Kohabition” ausgelotet werden, um ein politisches Patt zu vermeiden.
Die Parlamentswahlen waren notwendig geworden, nachdem die SLFP-geführte Regierung ihre Mehrheit verloren hatte. Schon im Juni hatte der SLMC aus Protest gegen Übergriffe der Polizei auf muslimische Jugendliche die Regierung verlassen und Kontakte zur UNP geknüpft. Nachdem Präsidentin Kumaratunga daraufhin das Parlament suspendiert und Unterstützung bei der offen chauvinistischen JVP gesucht hatte, war die Regierung unter Premierminister Ratnasiri Wickramanayake (SLFP) nach nur einem Jahr im Oktober durch ein Misstrauensvotum endgültig gestürzt worden.
Der folgende fünfwöchige Wahlkampf war – wie der des Vorjahres - von Gewalttaten überschattet. Anschläge der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), die für einen eigenen Tamilenstaat im Nordosten der Insel kämpfen, Übergriffe der Armee und Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der rivalisierenden Parteien kosteten zahlreiche Menschenleben. Auch am Wahltag wurden 12 Menschen getötet. Verschiedene Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe wurden bekannt. So soll z.B. die Armee 80.000 Tamilen den Zutritt in von der Regierung kontrollierte Gebiete zur Stimmabgabe verweigert haben. Dennoch erklärten die beiden großen Parteien und internationale Beobachter, dass das Ergebnis dem Willen der Wähler entspreche.
Schon am 7. Dezember, noch vor Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses, erkannte der scheidende Premier die Niederlage an. Präsidentin Kumaratunga ermöglichte UNP-Führer Wickremesinghe daraufhin unerwartet schnell, seine Regierung zu bilden. Zumindest bei der Regierungsbildung scheint die befürchtete gegenseitige Blockade damit zunächst vermieden worden zu sein.
Ranil Wickremesinghe, der sich gern als unabhängiger Quereinsteiger präsentiert, entstammt ebenso dem (post-)kolonialen Polit-Adel wie alle UNP-Führer vor ihm. Er ist ein Neffe von Junius R. Jayawardene, des autokratischen Präsidenten, der sich 1978 die Verfassung auf den Leib schneidern ließ, die nun Wickremesinghes Macht gegenüber der Präsidentin beschränkt. Der 52jährige Rechtsanwalt führt die UNP seit 1994, als die LTTE nahezu die gesamte Führungsriege der Partei ermordet hatte.
Ob sich der Premier zukünftig gegen die Präsidentin wird durchsetzen können, ist insbesondere für erste Schritte hin zu einer Lösung des zwei Jahrzehnte alten Bürgerkriegs im Nordosten der Insel von Bedeutung. Wickremesinghe hat angekündigt, die Beilegung des Bürgerkriegs auch um den Preis einer weitgehenden Selbstverwaltung der Tamilen voranzutreiben, während Kumaratunga im Wahlkampf erklärt hatte, sich einer Autonomielösung zu widersetzen.
Unmittelbar nach seiner Amtsübernahme hat der Premier erste Schritte zur Wiederbelebung des Friedensprozesses eingeleitet: Militärposten im Nordosten sowie in der Hauptstadt Colombo wurden geräumt, Hilfssendungen auch in LTTE-Territorium ermöglicht. Bei seinem Antrittsbesuch in Delhi lotete Wickremesinghe Möglichkeiten einer indischen Vermittlung aus. Die LTTE hat erneut die Möglichkeit eines einseitigen Waffenstillstands angedeutet, sich allerdings noch nicht über mögliche Bedingungen geäußert. Ein Waffenstillstand gilt als Voraussetzung zur Aufnahme von Gesprächen. Als Knackpunkt hatten sich jedoch bisher die Vorbedingungen für Verhandlungen erwiesen: Die LTTE erwartet neben einer Waffenruhe auch, von der Regierung nicht länger als terroristische Gruppierung eingestuft zu werden.
Der Bürgerkrieg hatte 1983 zwischen verschiedenen tamilischen Guerillaorganisationen – unter denen sich die LTTE schon bald in blutigen Auseinandersetzungen die Vorherrschaft erkämpfte – und den Regierungstruppen begonnen. Vorangegangen war eine jahrzehntelange Diskriminierung der einst überproportional im Staatsdienst vertretenen Tamilen und ihr konsequenter Ausschluss von staatlichen Verteilungsleistungen durch die von den singhalesischen Bevölkerungsmehrheit getragenen Regierungen von SLFP und UNP. In dem 18jährigen Krieg gelang es der LTTE zeitweise die nordöstliche Küstenregion und die größte tamilische Stadt Jaffna zu kontrollieren. Derzeit beherrscht die LTTE das nordöstliche Hinterland bis an die Bucht von Jaffna. Sie gilt auch den Vertretern gemäßigter Tamilenparteien – die jetzt erneut in der Regierung vertreten sind - als legitimer Vertreter tamilischer Interessen. Verschiedene Friedensinitiativen, maßgeblich von Erik Solheim, dem von der norwegischen Regierung entsandten Vermittler, vorangetrieben, waren bisher immer in einer erneuten Eskalation untergegangen, zuletzt in der gescheiterten Regierungsoffensive im Mai 2001, die mehrere hundert Menschenleben kostete. Weiterer Höhepunkt des diesjährigen Schlachtens war der LTTE-Anschlag auf einen Luftwaffenstützpunkt sowie den benachbarten internationalen Flughafen von Colombo, bei dem 22 Menschen getötet und 13 Flugzeuge gesprengt worden waren.
Einem für beide Volksgruppen und deren "Eliten" annehmbaren Ausgleich stehen vielfältige Hürden im Weg. Zum einen ist die selbsternannte Vertretung der Tamilen keineswegs demokratisch, sondern ein auf bedingungslosem Gehorsam gegenüber Velupillai Prabakaran beruhender Kaderverband – auch in seinem zivilen Flügel. Der singhalesische Verhandlungspartner besteht im wesentlichen aus den beiden großen Parteien, wobei die jeweilige Opposition bisher keine Gelegenheit ausließ, an chauvinistisch-nationalistische Vorurteile zu appellieren, um Friedensinitiativen der Regierung zum eigenen Vorteil zu untergraben. So hat beispielsweise die UNP unter Führung Wickremesinghes Präsidentin Kumaratungas Verfassungsänderung für eine Autonomie der Nordostprovinzen im August 2000 parlamentarisch boykottiert und damit Parlamentswahlen erzwungen. Kumaratungas Wahlkampfauftritte deuten jetzt auf ein ähnliches Vorgehen unter umgekehrten Vorzeichen hin. Auch die JVP, die die Zahl ihrer Sitze im neuen Parlament von 10 auf 16 erhöhen konnte, macht schon jetzt massiv gegen jedes Zugeständnis mobil.
Andererseits hat Kumaratunga nach den Wahlen das Oberkommando über die Streitkräfte teilweise abgetreten: Alle praktischen Entscheidungen seien dem Premier überlassen. Es scheint jedoch, dass dieser Schritt vor allem ihrer nach den Wahlen geschwächten Position geschuldet ist. Gerade das politische Oberkommando könnte den Anlass eines zukünftigen Schlagabtauschs zwischen Kumaratunga und Wickremesinghe geben und – im Verein mit den Eigeninteressen der mächtigen Militärs - eine erneute Eskalation des Krieges einläuten.
Eine Lösung des Konflikts kann angesichts der in über 18 Jahren Bürgerkrieg militarisierten Gesellschaft nur in kleinen Schritten erfolgen. Vertrauensbildende Maßnahmen, wie sie Wickremesinghe derzeit ansatzweise verfolgt, sind noch für längere Zeit nötig, bevor auf Verhandlungserfolge gehofft werden kann. Aufgrund seiner eigenen Politik sollte Wickremesinghe außerdem wissen, dass verfassungsrechtliche Änderungen ohne Zwei-Drittel-Mehrheit kaum durchsetzbar sind. Auch längerfristig werden es deshalb vor allem faktische Verbesserungen für die Tamilen – sowohl in ihren individuellen Menschenrechten als auch als Volksgruppe – sein, die es durchzusetzen gilt. Doch all diese Hoffnungen setzen zuallererst einen haltbaren Waffenstillstand voraus, um die Spirale von Anschlägen, Offensiven und Gegenoffensiven zu durchbrechen, die früher oder später bisher allen Friedensbemühungen ein Ende bereitete.
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