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Erstmals geht nun auch die Armee in großem Ausmaß gegen die Rebellen vor. Auch die Grundrechte wurden drastisch eingeschränkt. Damit hat der Bürgerkrieg, dem inzwischen mehr als 2.000 Menschen zum Opfer fielen, eine neue Stufe der Gewalteskalation erreicht.
Nach Angaben des Staatsradios überfielen in der Nacht zum 26. November etwa 600 Bewaffnete die Bezirksverwaltung im Bezirk Solukhumbu in der Everest-Region im Osten Nepals. Am gleichen Wochenende kam es auch in anderen Regionen des Landes zu Überfällen auf Banken, Verwaltungsgebäude, eine Armeeunterkunft und einen Flughafen. Die Armee, die erstmals Ziel von Angriffen der Maoisten war, schickte Militärhubschrauber nach Solukhumbu. Bei den Angriffen und dem anschließenden Einsatz der Armee kamen nach offiziellen Angaben mehr als 280 Menschen ums Leben, unter ihnen etwa 200 Maobadi.
In ihrer Anfrage an den König, den Ausnahmezustand auszurufen, forderte die Regierung die "Eliminierung" der Maoisten. Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes wurden die Rebellen nun zu "Terroristen" erklärt und die Armee für ihre Bekämpfung mobilisiert. Bisher war ausschließlich die weniger gut gerüstete Polizei für die Bekämpfung des Aufstandes zuständig. Hintergrund der bisherigen Zurückhaltung war die Furcht der politischen Parteien, dass die Position des noch bis vor zehn Jahren absolut herrschenden Königshauses durch einen Einsatz der Armee erneut gestärkt werden könnte, da das Offizierskorps der Monarchie gegenüber bedingungslos ergeben ist. Doch auch die Furcht, dass die einfachen Soldaten, die in ihrer Mehrheit aus der armen Landbevölkerung stammen, sich mit ihren Gegnern solidarisieren könnten, hielt das Establishment davon ab, auf die militärischen Karte zu setzen.
Bei der ersten Armeeoffensive, die sich auf den westnepalesischen Distrikt Dang und die mutmaßlichen Maobadi-Hochburgen Rolpa und Pyuthan konzentrierten, wurde den Maoisten nach Angaben Kathmandus bereits in wenigen Tagen schwere Verluste zugefügt. Mehr als 60 Rebellen seien bei Angriffen aus der Luft und mit Bodentruppen getötet worden. Die Maobadi bestätigten diese Angaben bisher nicht.
Die Regierung kündigte lebenslange Haftstrafen für gefangene Aufständische und mutmaßliche Unterstützer an. Außerdem ermächtigte sie die Polizei zu Razzien ohne Durchsuchungsbefehl, ordnete die Schließung pro-maoistischer Zeitungen an und suspendierte die Versammlungsfreiheit. Bereits am Tag nach Ausrufung des Ausnahmezustandes wurden die Büros der mit den Maoisten sympathisierenden Zeitschrift Janadisha geschlossen und ihr Herausgeber sowie sieben Redakteure inhaftiert.
Darüber hinaus bemühte sich Kathmandu zügig um internationalen Beistand. Nepals Armeechef, der seine Europa-Reise abbrach, traf auf dem Heimweg in New Delhi mit dem indischen Generalstab zusammen, um die Situation zu beraten. Innenminister Khum Bahadur Khada erklärte am 28. November, dass Nepal "Unterstützung will, von wem auch immer, Indien und Amerika eingeschlossen."
Indiens Premier Atal Behari Vajpayee versprach umgehend jede erbetene Unterstützung und sagte militärische Ausbildungshilfe, Informationsaustausch sowie die Lieferung von zwei Militärhubschraubern und Nachtsichtgeräten zu, die der Armee helfen sollen, in den abgelegenen Bergregionen gegen die Rebellen vorzugehen. Indien fürchtet eine Ausweitung der Kooperation zwischen den Maobadi und den "Naxaliten" genannten indischen Maoisten, die in den Grenzregionen zu Nepal und anderen Unionsstaaten aktiv sind (s. auch Maoismus in Südasien). Bereits jetzt wird vermutet, dass Naxaliten, die an den Unionsstaat Bihar angrenzende Terai-Region als Rückzugsgebiet nutzen, was ihnen umso leichter fallen dürfte, da es zwischen Indien und Nepal quasi keine Grenzkontrollen gibt.
Dem Ausbruch der Gewalt war eine Woche zuvor das Scheitern der Friedensgespräche vorausgegangen. Am 21. November hatte Maoisten-Führer Pushpa Kamal Dahal, der als "Genosse Prachandra" auftritt, der Regierung vorgeworfen, eine Lösung des Konfliktes nicht ernsthaft zu verfolgen, und indirekt mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes gedroht. Er reagierte damit auf die Zurückweisung der Forderung durch die Regierung, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Zuvor hatten die Maoisten sich bereits von einer Kernforderung verabschiedet und Abstand von der Abschaffung der Monarchie genommen.
Vertreter der Regierung hatten sich auch nach der Drohung Prachandras noch optimistisch gegeben und den baldigen Beginn der vierten Runde der Friedensgespräche angekündigt. Sie wiesen die Kritik der Maoisten zurück und erklärten, dass die Regierung für die gegenwärtige Verfassung und das von ihr garantierte Mehrparteiensystem stehe, innerhalb dessen sich auch die Communist Party of Nepal (Maoist) an Wahlen beteiligen könne. Angeblich waren die Unterhändler der Regierung bereit, über die Bildung einer Übergangsregierung unter Einbindung der Maobadi zur Vorbereitung von Neuwahlen zu verhandeln.
Beobachter mutmaßten, dass die Angriffe der Maobadi von langer Hand vorbereitet gewesen und die Aufnahme der Friedensgespräche im August von Anfang an nur ein Täuschungsmanöver gewesen seien. Andere äußerten den Verdacht, dass Maoisten-Führer Prachandra angesichts der Kompromißbereitschaft immer stärker unter Druck geraten sei, und sich daher zum Abbruch der Gespräche entschlossen habe. Den Maoisten nahestehende Quellen bezweifeln dagegen die Ernsthaftigkeit der Regierung. Sie verweisen auf die Verschärfung der Sicherheitsgesetze im Juni und berichten von einem Einsatz der Armee unter dem Deckmantel von Hilfsmaßnahmen sowie ihre ungebrochene Aufrüstung durch Waffenlieferungen aus Israel, den USA und Deutschland auch während der Friedensverhandlungen. Angesichts des Mangels an unabhängigen Quellen und der Tatsache, dass sich der Bürgerkrieg weitgehend im Verborgenen abspielt, bleibt eine kritische Analyse aus der Distanz aber nahezu unmöglich.
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