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30. Juni 2001. Nachrichten: Politik & Recht - Nepal "Königsmord" und drohende politische Instabilität in Nepal

In einer klassischen griechischen Tragödie hätte nicht dramatischer inszeniert werden können, was sich am Abend des 1. Juni 2001 im Königspalast von Kathmandu nach zunächst unbestätigten Angaben abgespielt haben soll: Verletzt durch den mütterlichen Einspruch gegen die Liebe zu seiner Verlobten, brachte Thronfolger Dipendra fast die gesamte Königsfamilie um, bevor er sich selbst tötete.

Der 29-jährige Dipendra habe das Massaker an seiner Familie verübt, weil sich seine Mutter geweigert habe, in die Heirat mit einer indischstämmigen Aristokratentochter einzuwilligen. Der Kronprinz sei darüber derart erbost gewesen, daß er gegen 23 Uhr zwei halbautomatische Waffen aus seinen Privatgemächern geholt habe und danach wild ums sich schießend in den Speisesaal zurückgekehrt sei. Den Schüssen fielen sein Vater, König Birendra, seine Mutter, Königin Aishwarya, sein Bruder Nirajan und seine Schwester Shruti sowie zwei Schwestern, ein Bruder, ein Schwager und ein Cousin des Königs zum Opfer. Nach der Tat habe Dipendra die Waffe gegen sich selbst gerichtet. Er erlag am Morgen des 4. Juni seinen Verletzungen in einem Militärkrankenhaus in Kathmandu. Zuvor war er der Thronfolgeregelung entsprechend und trotz seiner schweren Verletzungen zum neuen König ausgerufen worden. Noch am Tag von Dipendras Tod wurde der jüngere Bruder Birendras, Prinz Gyanendra, zum neuen König bestimmt und inthronisiert.

Der gewaltsame Tod des seit 1972 herrschenden Monarchen Birendra und neun seiner Familienangehörigen hat unter der überwiegend hinduistischen Bevölkerung Nepals Trauer und Entsetzen hervorgerufen. Einen Tag nach dem Unglück wurden die Leichname des Königs und seiner Ehefrau unter großer Anteilnahme und dem hinduistischen Brauch entsprechend am Ufer des Bagmati in Kathmandu eingeäschert. Tags darauf kam es in Kathmandu und anderen Städten des Landes zu gewalttätigen Unruhen. Mehrere tausend Personen forderten Klarheit über den undurchsichtigen Tathergang. Die Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke ein, um die Demonstration aufzulösen. Über die Stadt wurde eine Ausgangssperre verhängt, um weitere Ausschreitungen zu verhindern. Nach Medienberichten wurden in den folgenden Tagen 540 Personen festgenommen, die sich nicht an das Verbot gehalten hätten. Etwa 25 Personen wurden bei weiteren Unruhen zum Teil schwer verletzt. Am 7. Juni hoben die Behörden die Ausgangssperre auf, nachdem Gyanendra ein Untersuchungskommission eingesetzt und sich daraufhin die Lage beruhigt hatte.

Knapp zwei Wochen nach der Tat, am 14. Juni, beendete der Bericht der Kommission die Diskussionen um die Schuldfrage: Dipendra hätte Alkohol und Drogen konsumiert, bevor er seine Eltern und sieben weitere Mitglieder der Königsfamilie erschossen habe, hieß es auf einer Pressekonferenz. Ob er anschließend die Waffe wirklich gegen sich selbst gerichtet habe, wie vermutet wurde, ließ die Kommission offen. Grundlage der Ermittlungen waren Befragungen von Überlebenden und die Prüfung medizinischer Gutachten.

Die Ermordung der Königsfamilie löste international Besorgnis hinsichtlich der innenpolitischen Stabilität Nepals aus. Es steht zu befürchten, daß die im Land aktiven maoistischen Rebellen das Massaker im Königspalast als Beleg für die Untauglichkeit und innere Zerrüttung der Monarchie ansehen und zum Anlaß nehmen, ihren 1996 begonnen bewaffneten Kampf zu intensivieren. Politische Beobachter vermuten, daß die Unruhen in Kathmandu weniger von um den ermordeten Monarchen Trauernden als vielmehr von politischen Aktivisten provoziert wurden. Die Rebellen wollen die Monarchie durch eine "Volksdemokratie" ablösen und sind inzwischen in 50 der 75 Distrikte aktiv, von denen sie fünf kontrollieren. Dort haben sie "Volksbanken" und "Volksgerichte" sowie eine von Kathmandu unabhängige lokale Verwaltung etabliert. Vor allem in Indien betrachtet man diese Entwicklung mit Sorge. Es ist kein Geheimnis, daß die nepalesischen Rebellen gute Kontakte zu in den angrenzenden Gebieten der indischen Unionsstaaten Bihar und West-Bengal operierenden maoistischen Guerilla-Gruppen haben und angeblich sogar in deren Camps ausgebildet werden.

Quellen

  • Hans-Georg Behr: Nestroy am Himalaya oder Das Böse Kind, in: Neues Deutschland, 23./24.6.2001, S.24.
  • Hilmar König: Besorgter Blick nach Katmandu, in: Junge Welt, 7.6.2001.
  • Unruhen in Nepal nach dem "Königsmord", in: Neue Zürcher Zeitung, 5.6.2001, S.3.

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