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20. November 2009. Afghanistan Afghanistans neuere Geschichte bis zum November 2009

Die Terroranschläge, die am 11. September 2001 auf New York und Washington verübt wurden, veränderten das Leben in Afghanistan grundlegend. Nach den Anschlägen wurde die Taliban-Regierung im "Kampf gegen den Terrorismus", welcher maßgeblich von den USA geführt wurde, gestürzt und eine neue Regierung unter der Führung Hamid Karsais eingesetzt. Doch der politische Neuanfang und der Wiederaufbau Afghanistans gestalten sich äußerst schwierig; bis heute kommt das Land nicht zur Ruhe.

Die Taliban-Herrschaft bis zum Jahre 2001 und die Ausbildung der Nordallianz

Seit Mitte der 1990er Jahren herrschten die fundamental-islamistischen Taliban über das Land, dem sie ihre radikale Interpretation des Islam und der Scharia aufzwangen. Der afghanischen Bevölkerung wurde beispielsweise Musik-, Fernseh- und Radiokonsum, sowie auch Kinderspielzeug verboten. Zuwiderhandlungen hatten unmenschliche, erniedrigende und brutale Strafen zur Folge, wie beispielsweise Züchtigungen und Todesstrafen. Ein Phänomen der Talibanherrschaft war die Unterdrückung der Frau in allen Lebensbereichen. Frauen wurden nahezu alle Rechte verwehrt, sie durften nur noch in einer Ganzkörperverhüllung (Burka) und in Begleitung von Männern auf die Straße gehen, der Besuch von Schulen und die Ausübung eines Berufes wurden ihnen gänzlich untersagt. Diese Politik hatte unter anderem steigenden Analphabetismus und eine erhöhte Kindersterblichkeit zur Folge.

Obwohl weitgehend isoliert, erhielten die Taliban immer mehr Zulauf von radikalen Islamisten. Sie unterstützten die Terrororganisation Al-Qaida, die im Land Ausbildungslager errichtete, in denen tausende Islamisten eine militärische Ausbildung erhielten, die dem religiös-ideologischen Kampf der Al-Qaida zugute kam.

Die einzig verbliebene Opposition war die Nationale Islamische Vereinigte Front zur Rettung Afghanistans, die als Nordallianz bekannt ist. Diese hatte sich im Oktober 1996 als militärisches Zweckbündnis gegen die Taliban gebildet und bestand zu großen Teilen aus rivalisierenden tadschikischen, usbekischen und Hazara-Warlords. Die Vereinigte Front setzte sich aus fünf zumeist islamisch geprägten politischen Gruppen zusammen: die Islamische Vereinigung Afghanistans (Dschamiat-e Eslami-ye Afghanistan), eine tadschikisch dominierte Vereinigung unter der Führung Burhanuddin Rabbanis, in welcher Ahmad Schah Massoud den Posten des Verteidigungsministers innehatte; die Islamische Einheitspartei Afghanistans (Hezb-e wahdat-e Eslami-ye Afghanistan), diese wurde von schiitischen Hazara gebildet und von Hadschi Mohammed Mohaqiq und Karim Chalili geführt; die Nationale Vereinigung Afghanistans (Dschonbesh-e Melli-ye Afghanistan), die Partei des Usbeken-Generals Abdul Raschid Dostum; die Islamische Bewegung Afghanistans (Harakat-e Eslami-ye Afghanistan), eine schiitische Vereinigung unter Ayatollah Mohammad Assif Mehseni, sowie die Islamische Union zur Befreiung Afghanistans (Ettehad-e Eslami Baraye Azadi-ye Afghanistan), eine von Abdul Rasul Sayyaf geführte paschtunische Gruppierung.

Die Nordallianz unter der militärischen Führung Ahmed Schah Massouds konnte sich nach der Herrschaftsübernahme der Taliban nur noch auf einem kleinen Landstrich im Nordosten des Landes halten. Massoud, der sich bereits im Kampf gegen die sowjetische Invasion (1979 bis 1989) einen Namen gemacht hatte, wurde am 9. September 2001, zwei Tage vor den Terroranschlägen in den USA, durch arabische Al-Qaida-Mitglieder ermordet. Dies löste große Trauer im Land aus, da Massoud für viele Afghanen ein Volksheld gewesen war, der sich dem Kampf gegen die Taliban-Regierung verschrieben hatte.

Der Kampf gegen den Terrorismus

Die US-Administration unter George W. Bush sah in Osama Bin Laden und Al-Qaida die Urheber der Terroranschläge vom 11. September 2001. Da die Taliban bezichtigt wurden, den aus Saudi-Arabien stammenden Terroristen und weitere hochrangige Al-Qaida-Mitglieder zu beherbergen und ihnen Unterstützung zu gewähren, wurden sie in die Auseinandersetzungen im Zuge des Krieges gegen den Terrorismus involviert.

Nachdem die Taliban eine Auslieferung Bin Ladens verweigerten, begannen die USA am 7. Oktober 2001 mit alliierter Hilfe mit der Invasion Afghanistans, der "Operation Enduring Freedom" (OEF), die sich das Ziel der Terrorismusbekämpfung zuvorderst auf die Fahne geschrieben hatte. OEF beruht auf dem Recht der Selbstverteidigung gegen bewaffnete Angriffe (Artikel 5 des Nordatlantikvertrags) und hat den Auftrag, die Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen gefangen zu nehmen und diese vor Gericht zu stellen. Hierbei brachten die westlichen Alliierten die zentralen Begriffe der Demokratie, Menschenrechte und des Rechtsstaats auf den Plan. Der "Bündnisfall", auf dessen Grundlage die OEF basiert, wurde am 4. Oktober 2001 zum ersten und bisher einzigen Mal vom NATO-Rat ausgerufen.

Deutschland beteiligte sich seit Beginn der Operation an der OEF; das erste OEF-Mandat des deutschen Bundestags vom 16. November 2001 sah fünf deutsche Einzelbeiträge mit bis zu 3.900 Soldaten vor. Dieses Kontingent wurde auf die ABC-Abwehrkräfte (circa 800), Sanitätskräfte (circa 250), Spezialkräfte (circa 100), Lufttransportkräfte (circa 500), Seestreitkräfte und Seeluftstreitkräfte (circa 1.800) und erforderliche Unterstützungskräfte (circa 450) aufgeteilt. Das Einsatzgebiet beschränkte sich gemäß Artikel 6 des Nordatlantikvertrags auf die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien, Nordostafrika und die angrenzenden Seegebiete. Bei den jährlichen Prüfungen durch den Bundestag wurde das Kontingent nach und nach verkleinert, letztmals am 13. November 2009, wo das Mandat auf das Horn von Afrika beschränkt wurde. Die Verkleinerung des OEF-Einsatzes deutscher Soldaten hatte die Vergrößerung des Kontingents der ISAF-Truppen (International Security Assistance Force) zur Folge.

Die völkerrechtliche Legitimation erhielt die Invasion durch einen Entschluss des UN-Sicherheitsrats über das Recht auf Selbstverteidigung. Seitdem herrscht Krieg gegen die Taliban und Al-Qaida. Begonnen hatte dieser mit Luftangriffen von Seiten der USA und Großbritanniens auf Stützpunkte der Al-Qaida und der Taliban. Unterstützung erhielten die westlichen Alliierten dabei von den einheimischen afghanischen Milizen der Nordallianz. Am 19. Dezember 2001 landeten die ersten Bodentruppen zur Unterstützung der bisherigen Luftangriffe. Dies hatte den Verlust Kabuls (13. November) und Kandahars (7. Dezember) für die Taliban zur Folge, bei denen die Nordallianz massive Unterstützung leistete. Ebenfalls im Dezember kam es zur Schlacht um die Bergfestung Tora Bora, die vierzig Kilometer von Jalalabad entfernt in der Provinz Nangarhar liegt, bei der eine von US-Streitkräften geführte Koalition gegen Mitglieder der Al-Qaida und der Taliban kämpfte. Diese hatte schließlich die Flucht Osama Bin Ladens und zahlreicher weiterer hochrangiger Terroristen, die sich in der Bergfestung verschanzt hatten, nach Pakistan zur Folge. Nach dem Ende der Schlacht konnte die von den US-Streitkräften geführte Koalition ihren militärischen Einfluss festigen. Die Taliban wurden jedoch bloß zeitweilig vertrieben, kurze Zeit später begannen diese sich im Shaki-Kot-Tal (Provinz Paktia) im Südosten Afghanistans neu zu formieren.

Die Interimsregierung

Kurz nach Beginn der Invasion wurde das Taliban-Regime gestürzt und eine provisorische Regierung eingesetzt. Deren Form und Aufbau wurde im Dezember 2001 auf der Petersberger Konferenz in Bonn beschlossen, bei der afghanische Politiker zusammentrafen, um über die Zukunft des Landes zu entscheiden. Mit dem Petersberger Abkommen entstand ein Plan für die stufenweise Demokratisierung und Befriedung Afghanistans. Die Führung des Landes sollte eine provisorische Regierung innehaben, die das Ziel der Demokratisierung verfolgte. Deren Vorsitz übernahm am 22. Dezember 2001 Hamid Karsai, ein hochrangiges Mitglied des paschtunischen Popsalai-Clans. Karsai ist ein Nachfahre Ahmad Schah Durranis, dem Begründer der Durrani-Dynastie, welcher Afghanistan zur Unabhängigkeit verhalf. Karsai studierte Politik in Indien und schloss seine Ausbildung in den USA ab. Während der sowjetischen Invasion unterstützte er die Mudschaheddin mit finanziellen Mitteln. Hamid Karsai ist ein moderater Politiker, der sich weder den politisch-islamistischen Strömungen noch den progressiv westlichen zuordnen lässt. Seine politische Vorgehensweise kombiniert Modernität und Tradition miteinander.

Unterstützt wurde er besonders durch Mitglieder der Nordallianz, die weitere Schlüsselpositionen in der neuen Regierung innehatten: Außenminister der provisorischen Regierung wurde Abdullah Abdullah, den Posten des Innenministers erhielt Junus Ghanuni und neuer Verteidigungsminister wurde der Tadschike Mohammed Fahim. Der aus der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif stammende Hadschi Mohammed Mohaqiq erhielt in der Interimsregierung den Posten des Planungsministers. Der Usbekengeneral Raschid Dostum bekam den Posten des stellvertretenden Verteidigungsministers in Karsais Kabinett. Außerdem wurde er als militärischer Berater für den Norden Afghanistans tätig, da er in den nördlichen Provinzen des Landes eine hohe Machtstellung genoss. Die Ernennung war möglicherweise ein Versuch Karsais, Dostums regionale Alleinherrschaft durch seine Einbindung in die Zentralregierung zu brechen. Karsai übernahm als neuer Regierungschef die Amtsgeschäfte des früheren Präsidenten und Anführers der Nordallianz, Burhanuddin Rabbani.

Internationale und deutsche Maßnahmen zum Sicherheits- und Wiederaufbau

Ebenso wie die Einsetzung einer provisorischen Regierung, gehörte auch die Stationierung internationaler Truppen zu den Hilfsmitteln, die zur Demokratisierung Afghanistans führen sollten. Diese Aufgabe übernahm die internationale Schutztruppe ISAF, eine Sicherheits- und Aufbaumission unter der Führung der NATO, mit dem Auftrag, die afghanische Regierung dabei zu unterstützen, die Sicherheit im Land herzustellen und aufrecht zu erhalten.

Im Rahmen des ISAF-Mandats sind etwa 64.590 Soldaten aus 42 Staaten, sowohl aus NATO-Mitgliedsstaaten und weiteren UN-Mitgliedsstaaten, in Afghanistan stationiert. Das größte Truppenkontingent stellen die USA mit circa 29.950 Mann. Großbritannien hat einen Truppenanteil von etwa 9.000 und Deutschland stellt ein Kontingent von rund 4.050 Mann (Stand: Juli 2009). Die USA hatten zu Beginn der ISAF-Mission im Dezember 2001 ein deutsches Kontingent von 3.900 Mann gefordert. Die Haupteinsatzgebiete der Bundeswehr sind Kabul und der gesamte Norden Afghanistans. Unterstützt wird die deutsche Bundeswehr derzeit von ISAF-Kontingenten aus Schweden und Ungarn. Die US-amerikanischen Truppen sind besonders im Osten, Süden und Westen vertreten, wo sie Unterstützung von französischen und türkischen Soldaten im Osten, britischen, niederländischen und kanadischen im Süden und neuseeländischen, italienischen, litauischen, norwegischen und spanischen im Westen erhalten (Stand 2008).

Am 22. Dezember 2001, demselben Tag, an dem Karsai die Regierungsgeschäfte in Afghanistan übernahm, stimmte der deutsche Bundestag dem ISAF-Einsatz der Bundeswehr zu. Der Schwerpunkt des Auftrags des deutschen Truppenkontingents liegt seither in der aktiven Beteiligung bei der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte. Deutschland trägt innerhalb der ISAF die Führungsverantwortung für den Norden Afghanistans, grundsätzlich ist der deutsche Einsatz auf Kabul und Nordafghanistan beschränkt. Darüber hinaus ist es der Bundeswehr-Spezialeinheit KSK im Rahmen der OEF seit Dezember 2001 erlaubt, bis zu 100 Mann überall in Afghanistan im Kampf gegen den Terror einzusetzen. Bisher kam diese Befugnis in den Jahren 2002 bis 2003 und nochmal im Jahr 2005 zum Tragen.

Im Januar 2002 errichteten internationale Friedenstruppen unter amerikanischer Führung mit UNO-Mandat Stützpunkte in Afghanistan; am 8. desselben Monats schickte die deutsche Bundeswehr erste Kräfte nach Afghanistan, welche die Lage im Land sondieren sollten. Ebenfalls im Januar wurden erstmalig "rechtswidrige Kämpfer" in das US-Sondergefangenenlager nach Guantanamo ausgeflogen. Kurz darauf folgten Berichte von grausamen Taten an gefangenen Talibankämpfern, begangen durch Kämpfer der Nordallianz, wodurch unter anderem eine Debatte um die Ausschaltung der Menschenrechte und um das Kriegsrecht in diesem Konflikt begann.

Seit April 2002 hat Deutschland eine führende Rolle im Polizeiaufbau; einem Bereich, der seit Juni 2007 im Rahmen der Europäischen Polizeimission (Eupol AFG) ausgeweitet und intensiviert wurde. Gegenwärtig sind 250 Polizisten und Rechtsexperten in der Ausbildung und Beratung des afghanischen Innenministeriums, sowie der afghanischen Polizei und Staatsanwaltschaft tätig. Als Zielgröße wurde eine Zahl von 400 internationalen Mitarbeitern angesetzt. Von deutscher Seite sind circa 40 Beamte und etwa 10 zivile Experten bei der Eupol tätig. Außerdem arbeiten 80 deutsche Polizisten im Rahmen des GPPT (German Police Project Team), das insbesondere für die Ausbildung der afghanischen Polizisten zuständig ist.

Desweiteren ist das Mandat der UNAMA (United Nation Assistance Mission in Afghanistan) zu nennen, welches die Bundesregierung durch die Entsendung eines Militärbeobachters unterstützt. Die Mission leistet beim Auf- und Ausbau rechtsstaatlicher Strukturen Hilfe und fördert die nationale Versöhnung in Afghanistan. Das letztendliche Ziel ist die Herstellung des Friedens und der Stabilität in Afghanistan. Die zwei Hauptfelder, in denen sich die UNAMA betätigt, sind zum einen humanitäre Belange und zum anderen politische Angelegenheiten. Sie kooperiert mit der ISAF und koordiniert humanitäre Hilfe, Menschenrechte und die politische Mission miteinander. Die UNAMA hat rund 1.500 Mitarbeiter, von denen 80 Prozent Afghanen sind.

Im Rahmen der deutschen Hilfe für Afghanistan sind etliche Projekte und Organisationen aktiv. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) koordiniert dabei einen Großteil der deutschen Entwicklungshilfe, wobei sie mit zahlreichen deutschen, wie zum Beispiel dem DED (Deutscher Entwicklungsdienst), internationalen und lokalen Partnerorganisationen zusammenarbeitet. Gleichfalls betätigt sich das Deutsche Rote Kreuz (DRK) seit zwanzig Jahren in Afghanistan. Die Welthungerhilfe, im Allgemeinen seit 1980 in Afghanistan aktiv, wendet sie sich seit 2003 verstärkt dem Wiederaufbau der ländlichen und kommunalen Infrastruktur, der Ernährungssicherung, der Stärkung der Zivilgesellschaft und dem Umwelt- und Erosionsschutz zu. Auch die politischen Stiftungen aus Deutschland engagieren sich, wie beispielsweise die Friedrich-Ebert-Stiftung, die sich besonders die Förderung der gesellschaftlichen und politischen Bildung der Menschen in Afghanistan zum Ziel gesetzt hat. Daneben sind internationale Akteure, beispielsweise das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) und vielfältigste lokale Organisationen, wie Omar (Organisation für Minenbeseitigung und Rehabilitation), im Land aktiv. Sehr viele Organisationen leisteten bisher wichtige Aufbauhilfe, jedoch gibt es auch begründete Kritik an dem Geschäft mit der Entwicklungshilfe, da bisweilen Projekte realisiert werden, die an den eigentlichen Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei gehen, und nur selten Qualitätskontrollen durchgeführt werden.

Im Rahmen der Entwicklungshilfe bemühen sich die deutschen Förderer besonders um eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, durch die Unterstützung von Einkommen und Beschäftigung, Energieversorgung, die städtische Trinkwasserversorgung und die Bildung, um die Stärkung der Handlungsfreiheit der afghanischen Regierung über Finanzierung nationaler Investitionsprogramme und desweiteren um Projekte zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit, des kulturellen Wiederaufbaus sowie zur Stärkung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte (insbesondere Frauen).

Die humanitäre Hilfe hat auf deutscher Seite die Schwerpunkte Wasserversorgung und Gesundheitsfürsorge, sowie Beseitigung von Minen. Die hauptsächlichen Zielgruppen sind hier die schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise zurückkehrende Flüchtlinge, sowie Frauen und Kinder. Im Rahmen humanitärer Hilfe wurden seit 2001 insgesamt mehr als 77,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Alles in allem beträgt das finanzielle Engagement von deutscher Seite (bis 2010) mehr als 1,1 Milliarden Euro (inklusive humanitärer Hilfe, Not- und Übergangshilfe).

Die erste demokratisch legitimierte Regierung und die afghanische Parteienlandschaft

Im Juni 2002 wurde die provisorische Regierung durch eine von einer landesweiten außerordentlichen Loya Dschirga, afghanische Groß-Versammlung, bestimmten Übergangsregierung abgelöst, dessen Vorsitz wiederum Hamid Karsai innehatte. Daraufhin wurden mehrere Attentate auf den Präsidenten der Interimsregierung verübt, die dieser jedoch mehr oder weniger unbeschadet überlebte. Im selben Jahr rief der afghanische Kriegsherr und islamistische Politiker Gulbuddin Hekmatyar im Radio den Dschihad (Heiligen Krieg) gegen die USA aus. Hekmatyar ist ein sunnitischer Paschtune, der seitdem auf Seiten der Djihadisten gegen die US-geführte Besatzung seines Landes kämpft.
Die afghanische Groß-Versammlung ratifizierte im Januar 2004 die neue afghanische Verfassung, welche ein Präsidialsystem mit einer starken Stellung des Staatsoberhauptes vorsieht. Afghanistan ist seither eine "Islamische Republik" mit Exekutive, Legislative und Judikative. Die Staatsreligion ist der Islam.

Bei den am 9. Oktober 2004  abgehaltenen Präsidentschaftswahlen, die unter Aufsicht der Vereinten Nationen stattfanden, wurde Karsai mit einer Mehrheit von 55,4 Prozent als demokratisch legitimierter Präsident im Amt bestätigt. Aus Angst vor Terroranschlägen der Taliban lag die Wahlbeteiligung jedoch nur bei 54 Prozent. Im September 2005 fanden die Parlamentswahlen statt, die wiederum ein Symbol für den Abschluss des im Petersberger Abkommen beschlossenen Demokratisierungsprozesses darstellten. Hier fiel die Entscheidung über das erste frei gewählte afghanische Parlament seit 1973.

Über das Regierungskabinett hinaus wird die Parteienlandschaft in Afghanistan vor allem von vier Parteien einflussreicher Warlords beherrscht: der Islamischen Vereinigung Afghanistans (Dschamiat-e Eslami-ye Afghanistan), in der überwiegend Tadschiken vertreten sind und welche von Burhanuddin Rabbani geführt wird, der Islamischen Union (Ettahad-e Eslami), der Islamischen Partei (Hezb-e Eslami) Gulbuddin Hekmatyars und der Islamischen Partei (Hezb-e Eslami), welche seit der Trennung zu ihrer Namensschwester von Junis Chalis geführt wird. Letztere hat jedoch wesentlich weniger Einfluss als die Partei Hekmatyars.

Im März des Jahres 2007 gründete Burhanuddin Rabbani die Nationale Vereinigte Front (Dschabhe-ye Mottahed-e Melli), welcher sich viele führende afghanische Politiker anschlossen, unter ihnen Raschid Dostum, Mohammed Fahim, Junus Ghanuni und Ismail Khan. Dieser Zusammenschluss bezeichnet sich selbst als eine "loyale Opposition" zur Regierung Karsais, die sich zum Ziel gesetzt hat, die starke Position des Präsidenten und der Zentralregierung zu schwächen.

Das Wiedererstarken der Taliban und andauernde Problemfelder

Wie auch in den drei Jahren zuvor stimmte der Bundestag auch in diesem Jahr (2004) der Verlängerung des deutschen Einsatzes bei der ISAF zu und erhöhte dabei das deutsche Truppenkontingent auf 3.000 Soldaten.
Trotz aller bisherigen Bemühungen blieb der Friede in Afghanistan weiterhin gefährdet. Besonders die Uneinigkeit innerhalb der Nordallianz spielte dabei eine große Rolle. Die Allianz ist keine rein homogene Front, vielmehr ist sie bestimmt durch die Aktivitäten bestimmter Interessensgruppen und die zahlreichen verschiedenen Akteure. Doch trotz aller Differenzen behielt die Nordallianz ihre dominierende Rolle innerhalb der Regierung bei. Die Rivalitäten zwischen den verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen nahmen weiter zu und führten zu großen Spannungen im ganzen Land, da sich insbesondere die paschtunische Bevölkerungsmehrheit unterrepräsentiert sah.

Die Taliban gewannen seit 2006 wieder an Stärke und die Sicherheitslage im Land verschlechterte sich nach anfänglichen Erfolgen der NATO und ISAF zusehends. Mit der Zeit verstärkte sich die Präsenz der Taliban soweit, dass inzwischen wieder ganze Distrikte des Landes unter ihre Kontrolle gelangt sind. Dies trifft vor allem auf den Süden und Osten des Landes zu, an den Grenzen zu Pakistan, die nur schwerlich zu bewachen sind. Das hat zum einen den Grund, dass die Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan schon aufgrund ihrer Länge (2.500 Kilometer) von der pakistanischen Armee, trotz ihrer enormen Truppenstärke, kaum kontrollierbar ist. Das weitaus größere Problem in dieser Region ist, dass die Paschtunen, die auf beiden Seiten der Grenzregion siedeln, dort nach ihren ganz eigenen Gesetzen leben. Die Regierung ist weit entfernt und so sind diese Stammesgebiete grenzübergreifend weitestgehend ohne Kontrolle. Darüber hinaus blieb diese Region zu lange insofern unbeachtet, dass sie von der Entwicklung weitestgehend unberührt blieb. Zudem stellen die Stammesgebiete auf der pakistanischen Seite eine Art Refugium der Taliban dar, in welches sie sich zurückziehen und sich somit dem Einfluss von afghanischer Seite entziehen können.

Die Zahl politisch motivierter Anschläge und Entführungen, besonders in den Unruhezentren, wie den Städten Kabul, Kandahar und Herat, sowie der Provinz Kundus (hier besonders im Distrikt Char Darah), steigt kontinuierlich, so dass die Mission für die eingesetzten NATO- bzw. ISAF-Truppen zunehmend gefährlicher wird. Besonders die Rate der Selbstmordattentäter steigt kontinuierlich und birgt große Risiken für die in Afghanistan stationierten Soldaten, sowie auch für die Zivilisten. Ziel der Taliban ist es, die  ausländischen Truppen und Helfer zu verschrecken, um diese zum Abzug aus Afghanistan zu bewegen und das Land wieder sich selbst zu überlassen. Die Opfer der Attentate und Anschläge sind jedoch oftmals Zivilisten. Im gezielten Versuch den Wiederaufbau zu zerstören, kommt es jährlich zu erheblichen Opfern und der massiven Terrorisierung der Bevölkerung.

Weitere Stabilisierungsversuche

Durch diese Entwicklung ist auch die Stabilisierungspolitik der internationalen Gemeinschaft gefährdet. Der Erfolg der zweiten Phase des Wiederaufbaus ("Afghanistan Compact"), die von der internationalen Gemeinschaft für die Jahre 2006-2010 beschlossen wurde, ist ungewiss. Der "Compact" wurde im Januar 2006 auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in London unterzeichnet und hat sich die afghanische Eigenverantwortung als primäres Ziel gesetzt. Er bildete den Abschluss der Londoner Konferenz. Auf dieser wurde die Basis für die Kooperation bis 2010 gelegt. Die Vereinbarung umfasst ein umfangreiches Arbeitsprogramm in den Bereichen gute Regierungsführung (good governance), Sicherheit und Wiederaufbau. Darüber hinaus orientiert sich die Zusammenarbeit zudem an der Armutsbekämpfungsstrategie ANDS (Afghanistan National Development Strategy), welche die afghanische Führung im Frühjahr des Jahres 2008 vorlegte. Insgesamt 66 Staaten und 15 internationale Organisationen nahmen an der Konferenz teil, den Vorsitz führten der britische Premierminister Tony Blair, der afghanische Präsident Hamid Karsai und der UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Schwerpunkt der Konferenz war die Sicherheit in Afghanistan. In diesem Zusammenhang wurde der weitere Ausbau der Polizei und der afghanischen Nationalarmee (ANA) mit bis zu 70.000 Soldaten bis 2010 beschlossen und die vollständige Entwaffnung aller illegalen Milizen bis 2007 als Ziel formuliert. Desweiteren setzte man den Schwerpunkt auf eine massive Drogenbekämpfung, die Effizienzsteigerung der Exekutive, wozu unter anderem der "Nationale Plan für Frauen in Afghanistan" beschlossen wurde, welcher zukünftig für bessere Chancen der Frauen in Politik und öffentlichen Diensten sorgen sollte. Der wirtschaftliche und soziale Aufschwung des Landes war ein weiterer wichtiger Themenkomplex. Hierbei wurden als Ziele unter anderem die bessere Stromversorgung (65 Prozent in Großstadtregionen, 25 Prozent auf dem Land), der Anstieg des BIP (bis 2010 auf acht Prozent), die bessere Leitungswasserversorgung (50 Prozent in Kabul, 30 Prozent in anderen Großstädten), die Bildung der Mädchen und Jungen, gemeint ist hierbei die Steigerung der Zahlen der Kinder, die eine Schule besuchen (mindestens 60 Prozent der Mädchen und 75 Prozent der Jungen), eine verbesserte Grundversorgung der Bevölkerung in Gesundheitsfragen (mindestens 90 Prozent der Gesamtbevölkerung) und der Abbau der Zahl der an Hunger leidenden Menschen (jährlich um fünf Prozent) vereinbart.

Auf Konferenzen in Tokio (2002), Berlin (2004) und London (2006) gab Deutschland die Zusage, bis 2010 einen Grundbetrag von 80 Millionen Euro jährlich für den zivilen Wiederaufbau und die Entwicklung Afghanistans bereitzustellen. Bereits 2007 wurde der Grundbetrag auf 100 Millionen Euro und auf der Pariser-Konferenz im Juni 2008 nochmals auf 140 Millionen Euro aufgestockt. Das zivile Gesamtengagement wird von deutscher Seite bis 2010 rund 1,2 Milliarden Euro betragen.

Durch die unsichere Lage im Land ist die zum Ziel gesetzte Eigenverantwortlichkeit in Afghanistan jedoch so stark gefährdet, dass die USA und die NATO-Führung eine Aufstockung der internationalen Militärpräsenz in Afghanistan für notwendig halten, um eine minimale Sicherheit im Land zu gewährleisten, die wiederum Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans ist.

Das Wiedererstarken der Taliban wurde im Jahr 2006 zum Anlass genommen, eine Großoffensive im Rahmen der 2001 begonnenen "Operation Enduring Freedom" (OEF) zu starten, bei der amerikanische und britische Streitkräfte im Süden des Landes massiv gegen Anhänger der Taliban und Al-Qaida vorgingen. Diese Großoffensive unter dem Namen "Mountain Thrust" richtete sich gegen die wiedererstarkenden Taliban im Süden des Landes. Die Kämpfe zogen sich bis zum Winter und wurden im März 2007 in der Operation "Achilles" fortgeführt. Diese Operation war die größte ihrer Art, seitdem die NATO den Befehl in Afghanistan übernommen hatte. Hierbei wurde am 12. Mai 2007 der einflussreiche militärische Talibankommandant Mullah Dadullah durch NATO-Truppen getötet.

Das Internationale Engagement Afghanistans

Im April des Jahres 2007 trat Afghanistan als 8. Mitglied der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) bei. Neben dem Land am Hindukusch gehören Indien, Pakistan, Bangladesch, Nepal, Sri Lanka, Bhutan und die Malediven zu dem südasiatischen Bündnis. China, Japan, Europa, Südkorea, die USA und der Iran nehmen einen Beobachterstatus ein, der die Aktivitäten des Bündnisses in Augenschein nimmt. Das Ziel der Vereinigung ist die Kooperation in wirtschaftlichen und technischen Angelegenheiten; politische Probleme werden wegen des Kaschmir-Konflikts meist ausgeklammert. Das afghanische Interesse, das mit dem Bündnis-Beitritt verbunden ist, liegt in der Beendigung der Isolation, welche die Herrschaft der Taliban zur Folge hatte, und dem Beginn einer regionalen Integration.

Ein weiteres Bündnis, dem Afghanistan jedoch bloß in Form eines Dialogpartners angehört, ist das Bündnis der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), das seit 2001 besteht. Mitglieder desselben sind China, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan. Neben Afghanistan fungieren die ASEAN, GUS, Sri Lanka und Weißrussland als Dialogpartner. Russland plädierte für das Angebot eines Beobachterstatus an Afghanistan, um eine engere Zusammenarbeit im Kampf gegen Extremismus und Drogenhandel gewährleisten zu können. Diesen Status haben bisher die Mongolei, Indien, Pakistan und der Iran inne. Die Ziele der Organisation sind eine enge wirtschaftliche, ökologische, wissenschaftlich-technische und kulturelle Zusammenarbeit, das Vertrauen untereinander und die Gewährleitung des Friedens und der Sicherheit in der Region. Kritisiert wird die Organisation besonders von amerikanischer Seite (besonders von John McCains neokonservativem Berater Robert Kagan), da sie von China und Russland mit dem Ziel gegründet worden sei, dem wachsenden Einfluss der USA in Zentralasien entgegenzuwirken.

Entwicklungen seit 2007 und Präsidentschaftswahl 2009

Die Jahre 2007 bis 2009 waren wie schon die Jahre davor von heftigen Kämpfen und Anschlägen gekennzeichnet. Beide Seiten versuchten, die andere zu besiegen und bedienten sich dabei Mitteln, die viele Opfer forderten. Vor allem Zivilisten erlitten großes Leid, an dem auch die Alliierten schuld waren, da sie bei ihrem Kampf gegen die Al-Qaida- und Taliban-Kämpfer vermehrt Unbeteiligte verwundeten oder töteten. So geschehen beispielsweise bei einem Bombenangriff auf die Stadt Herat im August 2008, bei dem 89 Zivilisten zu Tode kamen. Ein weiteres Eckdatum des Jahres 2008 war die Befreiung von 350 Kämpfern aus einem Gefängnis in Kandahar im Juni durch Mitglieder der Taliban.
Mitte des Jahres wurde die Truppenstärke der internationalen Einsatzkräfte in Afghanistan auf 65.000 erhöht, was ein Vierfaches der Zahl ist, die noch im Jahre 2004 vor Ort stationiert war. Daraufhin stieg die Zahl der Attentate und Selbstmordanschläge dramatisch an. Im September 2008, kurz nach dem Amtsantritt des pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zaraf, einigten sich Hamid Karsai und sein pakistanischer Amtskollege auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die Taliban im Grenzgebiet der beiden Länder, um das "Bollwerk des islamistischen Terrors" gerade in diesem Gebiet zu zerschlagen und den Taliban jegliche Rückzugsmöglichkeit auf pakistanischer Seite zu verwehren.

Im März des folgenden Jahres kündigte der neugewählte US-Präsident Barack Obama eine veränderte Strategie für Afghanistan und Pakistan an, welche eine US-amerikanische Truppenverstärkung und die Förderung ziviler Aufbauprogramme beinhaltet. Außerdem sieht Obamas Strategie eine Aufstockung der afghanischen Sicherheitskräfte auf 210.000 Mann bis zum Jahre 2011 vor. Ebenfalls 2009 investierte Deutschland 13,5 Millionen Euro in den Aufbau der elektrischen Infrastruktur in Afghanistan, um die Stromversorgung der Menschen in Kabul und den ländlichen Regionen Nordafghanistans sicherzustellen.

Bei den Präsidentschaftswahlen am 21. August 2009 gab es anfänglich Uneinigkeiten, ob der amtierende Präsident Hamid Karsai oder der Oppositionelle Abdullah Abdullah, der Sieger dieser Wahl sei. Schließlich setzte sich Hamid Karsai aber gegen seinen Konkurrenten durch, nachdem dieser sich wegen vermuteten Wahlbetrugs zurückzog. Darauf wurde am 19. November 2009 Präsident Karsai für eine zweite Amtszeit vereidigt.

Drogenproblematik

Ein Grundproblem in Afghanistan ist die massive Produktion von Drogen. Im Jahr 2007 lag der afghanische Anteil an der Weltopiumproduktion bei etwa 92 Prozent. Aus dem Opiumhandel, an dem bisweilen auch führende Politiker des Landes beteiligt scheinen, gewinnen die Taliban einen wichtigen Anteil der finanziellen Mittel für ihren Kampf. Auch afghanische Warlords und lokale Machthaber finanzieren durch den Verkauf von Drogen den Kampf gegen ausländische Truppen und die afghanische Regierung, indem sie mit den Einnahmen für Waffen und Kämpfer bezahlen, die wiederum ihre Vormachtstellung in den Provinzen sichern. Hier fehlt nach wie vor eine funktionsfähige Polizei und Justiz, um den Drogenhandel wirksam zu verhindern beziehungsweise einzudämmen. An der Spitze der afghanischen Drogenmafia stehen zwei Gruppen: Zum einen sind es die Haupthändler, 25 bis 30 Personen mit großem Einfluss, die dank verwandtschaftlicher Beziehungen und Schutzgeldzahlungen gute Kontakte zu den höchsten politischen Stellen pflegen und damit praktisch unangreifbar sind; zum anderen sind es einflussreiche und wohlhabende Großhändler, von denen es landesweit etwa 200 bis 250 gibt.

Die Drogenökonomie ist ein großes Hindernis für den Wiederaufbau Afghanistans, da sie alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zweige durchdringt, was in der politischen und sozialen Destabilisierung gipfelt. Dies ruft eine Unsicherheit in allen Bereichen des Landes hervor und resultiert in der Schwächung des Staates. Seit dem Jahr 2002 wird die "Counter Narcotics Police of Afghanistan" (CNPA) zur Bekämpfung der Drogenkriminalität aufgebaut. Die afghanische Drogenvernichtungseinheit (Afghan Eradiction Force) bekämpft unter Mithilfe der nationalen Polizei den Opiumanbau. Dies hat allerdings wiederum zur Folge, dass zahlreichen Bauern die Existenzgrundlage zerstört wird und diese sich dann lokalen Warlords anschließen, was ein Grund der sich verschlechternden Sicherheitslage seit dieser Zeit ist. Die Zerstörung der Ernte, die von den Einheiten zur Drogenvernichtung betrieben wird, greift aufgrund der Verflechtungen von Politik und Drogenmafia nicht effizient, sondern schadet letzten Endes bloß den Bauern. Trotz aller Versuche, den Drogenanbau einzudämmen, scheinen nur noch sechs von 34 Provinzen in Afghanistan nicht an der Opiumproduktion beteiligt zu sein.

Fazit und Ausblick

Der Rückblick auf die vergangenen acht Jahre macht sowohl positive als auch negative Entwicklungen in Afghanistan deutlich. Hinsichtlich der Wiederaufbau- und Entwicklungsbemühungen kann sicherlich von kleineren wirtschaftlichen und sozialen Erfolgen gesprochen werden, da seit 2002 eine große Anzahl der Flüchtlinge (etwa fünf Millionen) zurückgekehrt ist, wenngleich sich der Flüchtlingsstrom in letzter Zeit zum Teil wieder umgekehrt hat und insbesondere Angehörige der städtischen Bildungsschichten sich gezwungen sehen, das Land zu verlassen. Mehr als sechs Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter – so viele wie noch nie zuvor in Afghanistan – besuchen nun regelmäßig den Schulunterricht. 40 Prozent der eingeschulten Kinder sind Mädchen, was nur ein Teilerfolg ist, der hinsichtlich der Frauenrechte in Afghanistan erreicht wurde. Die heutige Situation der Frauen ist vor allem durch die Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für den weiblichen Bevölkerungsanteil gekennzeichnet: Sowohl Gleichberechtigung als auch Diskriminierungsverbot sind in der Verfassung verankert und der Zugang zu Bildung, Beschäftigung und politischer Teilhabe ist nach Jahren des Ausschlusses aus nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens inzwischen zumeist gewährleistet. Mittlerweile sind 68 von 351 Abgeordneten Frauen.

Auch wirtschaftlich sind Teilerfolge zu verzeichnen – die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verläuft vor allem in den Städten zunehmend dynamisch. Sie ist allerdings dennoch starken Schwankungen ausgesetzt: So wuchs die afghanische Wirtschaft im Jahre 2007 beispielsweise um etwa elf Prozent, verschlechterte sich aufgrund der verschärften Sicherheitslage und dürrebedingter Ernteeinbußen im Jahr 2008 jedoch wieder auf etwa sieben bis acht Prozent. Die Exporte steigen jährlich zwischen zehn und 30 Prozent und mittlerweile haben über 80 Prozent der Bevölkerung Zugang zu einer gesundheitlichen Basisversorgung.

Doch trotz aller Erfolge, zählt Afghanistan acht Jahre nach Beginn des internationalen Wiederaufbauengagements laut UNDP-Statistik noch immer zu den ärmsten Ländern der Erde. Die Zahl der Arbeitslosen ist nach wie vor immens hoch (laut UNDP-Statistik 40 Prozent im Jahr 2006) und etwa die Hälfte lebt unterhalb der Armutsgrenze, teilweise in extremer Armut. Betroffen sind nach wie vor oft Frauen und Bewohner der ländlichen Gebiete. Die Analphabetenrate liegt bei knapp 70 Prozent.

Staatliche Institutionen und Strukturen funktionieren bisher nur unzureichend und das Land verfügt bislang über zu wenige finanzielle Einnahmen, um den gesamten Staat zu stützen und die anliegenden Aufgaben zu meistern, was langfristige finanzielle Unterstützung aus dem Ausland notwendig macht. Drogenproduktion und -handel machen weiterhin etwa ein Drittel der afghanischen Wirtschaft aus.

Ein großes, unverändertes Problem bleibt weiterhin die Sicherheitslage im Land, welche sich im Verlauf der letzten Jahre wieder deutlich verschlechterte, dies zwar besonders im Süden und Osten an der Grenze zu Pakistan, aber zunehmend auch andernorts. Die Präsenz ausländischer Truppen und das finanzielle Engagement des Auslands werden somit wohl noch mittel- bis langfristig anhalten.

Trotz aller Probleme hat Afghanistan großes Potential, welches im Selbstbewusstsein des Volkes liegt und seinem Willen, das Land wieder aufzubauen und die Schatten jahrelanger Kriege zu beseitigen. Besonders an dem großen überwiegend jungen Bevölkerungsteil sind Bildungshunger und Weltoffenheit deutlich zu spüren.

 

Quellen

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Auswärtiges Amt (2008): Operation Enduring Freedom. Online unter: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/RegionaleSchwerpunkte/AfghanistanZentralasien/OEF.html

Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2009):  Situation und Zusammenarbeit. Online unter: http://www.bmz.de/de/laender/partnerlaender/afghanistan/zusammenarbeit.html

Bundesregierung: Zahlen, Daten, Fakten. Online unter: http://www.bundesregierung.de/nn_246856/Content/DE/Artikel/Afghanistan/ZahlenDatenFakten/2007-08-22-zahlen-daten-fakten.html

Bundeszentrale für politische Bildung. Online unter: http://www1.bpb.de/
CIA – the world factbook. Online unter: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/

Die Tagesschau. Online unter: http://www.tagesschau.de

Die Zeit. Online unter: http://www.zeit.de

Kursawe, Janet: Afghanischer Teufelskreis. Online unter: http://www.inwent.org/E+Z/content/archiv-ger/03-2007/trib_art1.html

Länder-Lexikon. Online unter: http://www.laender-lexikon.de

Militärgeschichtliches Forschungsamt. Online unter: http://www.mgfa.de

NZZ (2009): Afghanistan Chronologie 2001-2009. Online unter: http://www.nzz.ch/nachrichten/international/afghanistan_chronologie_2001-2009_1.3359154.html

Pflug, Johannes (2007): "Afghanistan – der lange Weg des Wiederaufbaus". Online unter: http://spdnet.sozi.info/nrw/pflug/dl/Afghanistan.pdf

Schultz, Stefan (2008): Studie enthält eklatante Mängel bei der Entwicklungshilfe. Online unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,543280,00.html

Wüst, Benjamin (2009): Chronologie: Bundseswehreinsatz in Afghanistan. Online unter: http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4510441,00.html

 

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