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Grund sind die fragilen Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl im April 2008, die das Ende des Aufstands und der Monarchie sowie den Übergang zum parlamentarischen Konfliktaustrag besiegelte. Im Parlament, das gleichzeitig als Verfassungsgebende Versammlung funktioniert, stellen der konservative Nepali Congress und die eher sozialdemokratische CPN-UML zusammen nur noch ein gutes Drittel der Abgeordneten, ebenso viele wie die ehemals aufständischen Maoisten. Das verbleibende knappe Drittel teilen sich Regionalparteien aus dem Terai, dem Tieflandstreifen im Süden des Landes, und kleine Linksparteien. Monarchisten sind kaum noch vertreten. Die Machtbalance, die derzeit von der neuen Allianz aus reformerischen und radikalen Linken austariert wird, muss in den kommenden Monaten nicht nur ideologische Gräben überbrücken, sondern auch wechselnde Fraktionsbildungen und unterschiedliche regionale Loyalitäten innerhalb der Parteien aushalten.
Während die Maoisten mit den bürgerlichen Parteien um die Lenkung der Wirtschaft durch den Staat, um eine Begrenzung des politischen Feldes auf "antifeudale" Kräfte und um die Machtverteilung im zukünftig föderal organisierten Staat ringen, drohen die Minderheitenrechte der Kastenlosen erneut unter die Räder zu geraten. Dabei hatte die Monilisierung der Dalit (die Selbstbezeichnung der Kastenlosen in Südasien) gegen die jahrhundertelang dominanten Angehörigen der Oberkasten im "einzigen Hindu-Königreich der Welt" erheblichen Anteil am Erfolg der maoistischen Bewegung und hat mittlerweile selbst die jahrzehntelang exklusiven Honoratiorenparteien der bürgerlichen Mitte und die nicht weniger brahmanisch dominierten Kaderparteien der parlamentarischen Linken erreicht.
Heute haben alle Parteien ihnen nahestehende Dalit-Organisationen inkorporiert, einige Dalit-Aktivisten sind in den Parteivorständen vertreten, allerdings weitgehend ohne Einfluss auf die engere Parteiführung. Bei den vier Parlamentswahlen nach der formalen Demokratisierung 1990 hatte nur ein einziger Vertreter jener knapp zwanzig Prozent der Bevölkerung, die Kastenhindus als "unrein" gelten, ein Mandat erhalten. Nach dem Ende des maoistischen Aufstandes 2006 hatte die Übergangsverfassung Quota für Frauen und Minderheiten festgelegt, so dass heute immerhin zehn Prozent der Parlamentarier Dalit sind. Allerdings hatten nur die Maoisten Dalit-Kandidaten in aussichtsreichen Wahlkreisen ins Rennen geschickt, alle anderen Parteien haben lediglich einige Listenplätze frei geräumt.
An den wenigen Ergebnissen der Arbeit der Verfassungsversammlung, deren Mandat im Mai 2010 um ein Jahr verlängert wurde, sind aber nicht nur die schwierigen Mehrheitsverhältnisse Schuld. Die politische Klasse des Landes rekrutiert sich weiterhin aus einem kleinen Kreis einflussreicher Familien. Obwohl sich die Lebensumstände der maoistischen Funktionäre durchaus von denen der Honoratioren des Congress und den Parteiarbeitern der CPN-UML unterscheiden, haben sie keine großen Anstrengungen unternommen, demokratische Mechanismen innerhalb der Parteien und in den parlamentarischen Gremien zu stärken. Geheime Verhandlungen zwischen den Führern der drei großen Parteien bleiben die Regel. Dort werden die Streitpunkte meist als "Paketlösungen" abgearbeitet. Einzelne Entscheidungen können so nur durch persönlichen Zugang zu den Verhandlungsführern beeinflusst werden. Dies wiederum ist von der Anbindung der jeweiligen Abgeordneten an die verschiedenen Lager innerhalb ihrer Parteivorstände abhängig. Diesen Parteifürsten schulden viele Abgeordnete persönliche Gefolgschaft, um ihre Chancen auf einen aussichtsreichen Wahlkreis oder Listenplatz oder eine Stelle im Parteiapparat zu wahren.
Das hat dazu geführt, dass in den elf Verfassungsausschüssen zwar diskutiert, aber nicht entschieden wird, bevor die Parteiführer die Themen nicht untereinander verhandelt haben. So bleiben selbst ein Vierteljahr vor der geplanten Verabschiedung der Verfassung die Entwürfe der verschiedenen Ausschüsse unter Verschluss, und von der versprochenen breiten Bürgerbeteiligung kann keine Rede sein.
Suedasien.info hat im Januar 2011 mit zwei prominenten Vertretern der Dalitbewegung innerhalb des nepalischen Parteienspektrums gesprochen und sie nach den Aussichten einer Verfassung gefragt, die über eine formale Gleichstellung aller Bürger hinausgeht und den lange ausgeschlossenen Kastenlosen und ethnischen Gemeinschaften gleiche Chancen auf Teilhabe an den gesellschaftlichen Ressourcen zuweist. Außerdem hat uns interessiert, mit welchen Schwierigkeiten sich die Aktivisten in den etablierten Parteiapparaten konfrontiert sehen und wie sie die Lage der nepalischen Dalit-Bewegung insgesamt beurteilen.
Tilak Pariyar ist Vorsitzender des Dalit-Flügels der Maoisten und Koordinator des informellen Forums der Dalit-Abgeordneten in der Verfassungsversammlung und hat sein Direktmandat mit deutlicher Mehrheit gewonnen.
Bishwendra Paswan hat mehrere Kampagnen der Dalits im Terai geleitet und vertritt die Dalit Janajati Party als Vorsitzender und einziger Abgeordneter.
Derzeit ist wenig Neues aus der Verfassungsgebenden Versammlung zu hören. Wann werden der Minderheiten-Ausschuss und die anderen Verfassungskommissionen ihre Arbeit wieder aufnehmen?
Einige Ausschüsse arbeiten tatsächlich kaum, der Minderheiten-Ausschuss ist jedoch aktiv. Wir haben kontinuierlich diskutiert und uns mit anderen Organisationen ausgetauscht. Darüber hinaus machen wir uns in unserer Partei kontinuierlich Gedanken, wie wir die jahrhundertealte Diskriminierung der Dalit überwinden können. Eine nur formale Gleichstellung ist nicht genug.
Was sind die umstrittensten Themen in Bezug auf Dalit-Rechte, wo herrscht Einigkeit?
Im Forum der 50 Dalit-Abgeordneten in der Verfassungsgebenden Versammlung, das ich koordiniere, sind wir uns einig, dass wir mindestens eine proportionale Beteiligung der Dalits in allen staatlichen Gremien und Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen benötigen. Meine Partei verlangt darüber hinaus eine positive Diskriminierung, die erlittenes Unrecht ausgleicht.
Früher haben wir allein über Reservierungen nach indischem Vorbild gesprochen. Die indische Reservierungspolitik ist gescheitert, wenn man sieht, wie wenige Dalit davon profitiert haben. Nach sechs Jahrzehnten Reservierungspolitik wird immer noch Unberührbarkeit praktiziert, viele Dalit sind weiterhin ohne Land und feste Unterkunft, höhere Bildung und eine ordentliche medizinische Versorgung bleiben eine Ausnahme.
Woran ist das Modell gescheitert?
Es nimmt die Idee einer proportionalen Vertretung aller Bevölkerungsgruppen in den Institutionen nicht ernst. Nur so, nicht durch die Gewährung individueller Vergünstigungen, kann der Staat gezwungen werden, seine Bringschuld zu erfüllen. Und es darf nicht allein um den Zugang zu Stellen im Staatsdienst gehen, davon profitieren nur Diejenigen mit formalen Schulabschlüssen. Wir müssen Dalit-Rechte politisch verankern, um an den Entscheidungsprozessen teilzuhaben. Das fehlt in Indien.
Auch das Modell, einzelne Wahlkreise für Dalit-Kandidaten zu reservieren, wird kritisiert. Die UCPN-Maoist befürwortet stattdessen "Multi-candidate-constituencies". Was ist damit gemeint?
Die Lage in Indien unterscheidet sich von unserer Situation, auch wenn in beiden Fällen das hinduistische Gesellschaftsmodell, das nach Nepal exportiert wurde, die Basis der Diskriminierung ist. Dieses Modell ist so fest verankert, dass letztlich selbst eine so außergewöhnliche Persönlichkeit wie Dr. Ambedkar in seinem jahrzehntelangen Kampf daran gescheitert ist. Wir müssen daraus lernen. Seit dem Poona-Pakt, als Dr. Ambedkar Gandhis Drohung sich zu Tode zu fasten nachgeben musste, fürchten Indiens Politiker die Einheit der Dalit. Das System individueller Vergünstigungen und Reservierungen dient dazu, keine echten Entscheidungsbefugnisse abtreten zu müssen.
Wir kämpfen deshalb für die proportionale Vertretung der Bevölkerungsgruppen auf allen Ebenen und darüber hinaus für eine kompensatorische positive Diskriminierung der Dalit. Ein wichtiger Baustein ist das Wahlrecht. Als Teil eines gemischten Mehrheits- und Verhältniswahlrechts sollten aus den Wahlkreisen mehrere Mandate entsandt werden, die gemäß dem Anteil der jeweiligen Bevölkerungsgruppen ermittelt werden. Anders als in Indien, wo in einigen reservierten Wahlkreisen Dalit-Kandidaten von der gesamten Wählerschaft gewählt werden, könnten die Dalit und die anderen Minderheiten hier dann in jedem Wahlkreis ihre eigenen Vertreter entsenden. Auf einer Wahlkreis-Liste finden sich dann mehrere zu vergebene Sitze für Frauen, indigene Gemeinschaften und Dalit. Für jedes Mandat können die verschiedenen Parteien eigene Kandidaten aus den jeweiligen Bevölkerungsgruppen aufstellen, die aber von der gesamten Wählerschaft gewählt werden können. So wird der oder die populärste Dalit aus jedem Wahlkreis entsandt und nicht nur einige wenige Dalits, die von den Parteien ausgesucht werden.
Wie wollen Sie Unterstützung dafür in Ihrer eigenen Partei und unter den anderen politischen Kräften organisieren?
Es ist nicht leicht. Aber wir haben uns bemüht, alle Dalit-Abgeordneten zusammenzubringen. Ich koordiniere außerdem ein Forum der Dalit-Flügel der verschiedenen politischen Parteien. Meine Priorität liegt in der Lobby-Arbeit mit den Dalit-Aktivisten in den anderen Parteien.
Was unternimmt die UCPN-Maoist, um Vorurteile unter den Parteimitgliedern abzubauen?
Die Befreiung der Dalit ist Teil des nationalen Befreiungskampfes. Dalit-Rechte spielen eine wichtige Rolle in unserer Mobilisierungsstrategie gegen die Herrschaft der wenigen Gruppen, die unser Land seit Jahrhunderten unter sich aufgeteilt haben.
Kastenlose sind als Gemeinschaft erst seit dem Ende des Panchayat-Regimes vor 20 Jahren auf der politischen Bühne präsent. Was hat die Dalit-Bewegung seither erreicht?
In den ersten Jahren der parlamentarischen Monarchie ging es vor allem darum, Führungskräfte in der Gemeinschaft aufzubauen. Bis dahin waren wir nur über Fürsprecher aus Menschenrechtsgruppen vertreten. Mit dem Beginn des Volkskrieges 1996 haben sich dann erstmals viele Dalit-Gemeinschaften organisiert und aktiv an der politischen Auseinandersetzung beteiligt. So hat die Partei in der Zusammensetzung der Volksgerichte zu Zeiten des Aufstands immer auf eine ausgewogene Repräsentation auch der Dalit geachtet. Das hat den unterdrückten Gemeinschaften gezeigt, dass wir es ernst meinen und empowerment für uns nicht nur ein Schlagwort ist. Auch in unserer Parallelregierung und in der Volksbefreiungsbewegung haben Dalit, Frauen und andere Unterdrückte mitgearbeitet. In der maoistischen Bewegung ist Unberührbarkeit und Kastendiskriminierung abgeschafft.
Warum ist es so schwierig, die Dalit-Bewegung darüber hinaus zu einen?
Wir müssen akzeptieren, dass Nepals Gesellschaft in vielerlei Hinsicht gespalten ist und dass die Menschen unterschiedliche Weltbilder und Bewusstsein haben. Wir Kommunisten interpretieren gesellschaftliche Entwicklungen dialektisch, andere interpretieren Erfahrungen von Diskriminierung in religiöser oder sonstiger Weise. Moralisch sind wir vereint in der Ablehnung von Diskriminierung, aber wir müssen auch vereint kämpfen.
Spielen auch Differenzen zwischen einzelnen Dalit-Gemeinschaften eine Rolle?
Ja, das Kastensystem ist die Quelle unserer Uneinigkeit und es fällt auch uns Betroffenen schwer, diese jahrhundertealten Trennungen abzuschütteln.
Sie arbeiten ebenfalls mit in der Ausarbeitung einer Landreform. Welche Bedeutung hat eine Landreform für die vielen Dalit , die keinen eigenen Boden besitzen?
Die ungleiche Verteilung des Landbesitzes wird durch die bisherigen Einzelmaßnahmen nicht gelöst. Nur durch eine revolutionäre Umverteilung, die klare Obergrenzen für Landbesitz setzt und das freigewordene Land verteilt, werden sich die Lebensverhältnisse der Dalit und anderer unterdrückter Gruppen grundlegend verbessern.
Welchen besonderen Umständen sehen sich die Dalits aus dem Terai, dem Tiefland im Süden Nepals, ausgesetzt? Worin unterscheidet sich ihre Diskriminierung von der Lage der Dalits im mittleren Bergland?
Die Lage der Dalits im Terai ist noch prekärer als die der Dalits im Landesinneren. Bis heute haben sie keinerlei Einfluss auf oder Zugang zu staatlichen Institutionen. Weder sind sie in Gremien vertreten noch können sie Ansprüche auf staatliche Leistungen durchsetzen. Zwei Drittel sind landlos und ohne feste Unterkunft, sie müssen sich als Wanderarbeiter tageweise Arbeit suchen. Daran hat sich auch in den letzten Jahren wenig geändert. Die Alphabetisierungsrate ist gleichbleibend gering, die Armut erschreckend.
Erschwert wird die Lage dadurch, dass die örtlichen Behörden vielen Madeshi Dalits die Staatsbürgerschaft verweigern. Ich bezweifele, dass die neue Verfassung diese Probleme adäquat adressiert.
Die Dalits aus dem Terai haben mit ihren Landsleuten in der Madeshi-Bewegung gegen die Monopolisierung des Staates durch Angehörige der privilegierten Kasten aus dem Bergland protestiert und gemeinsam eine Föderalisierung des Staatswesens durchgesetzt. Hat sich ihr Engagement ausgezahlt?
Bereits im Jahr 2001 haben die Chamar, eine Schächter- und Gerberkaste, eine breite Kampagne gegen ihre Stigmatisierung gestartet. In vielen Dörfern wurde ihnen der Zutritt zu öffentlichen Brunnen, zu Gesundheitsstationen und zu den Wohngegenden der Oberkasten verweigert, außerdem wurde der Verkauf ihrer Erzeugnisse boykottiert. In vielen Dörfern wurden sie sogar daran gehindert, sich Toiletten zu bauen! Diesen sozialen Boykott bekämpften sie, indem sie die ihnen zugewiesenen Arbeiten verweigerten, insbesondere die Beseitigung und Verarbeitung toter Rinder und sonstiger Tiere und ließen die Kadaver liegen. Nach einer Weile drohte auch das gesunde Vieh zu erkranken. Wir haben die Kampagne dann landesweit etabliert. Mehr als 10.000 Menschen haben an einer Demonstration vor dem Regierungssitz in Kathmandu teilgenommen und das Gelände für einige Stunden blockiert. Das war zugleich eine der ersten Gelegenheiten, überregional auf die Lage der Madeshi Dalits aufmerksam zu machen. Aus dieser Bewegung ist dann auch unsere Partei, die Dalit Janajati Party hervorgegangen, die einzige Partei, die die Forderungen der Dalit und Janajati, der indigenen Bevölkerung, im Parlament vertritt.
Ich habe keine Möglichkeit mehr gesehen, in den etablierten Parteien ernsthaft Gehör zu finden für unsere Anliegen. Ich bin seit 36 Jahren politisch engagiert und habe mich immer wegen meiner Kastenzugehörigkeit diskriminiert gefühlt.
In der Verfassungsgebenden Versammlung arbeiten Sie im Ausschuss für die Ausarbeitung der Rechte der Minderheiten. In welchen Bereichen konnte ein Konsens erzielt werden?
Ich arbeite in vier verschiedenen Ausschüssen an der Erarbeitung von Teilentwürfen für die Verfassung mit. Neben dem Minderheiten-Ausschuss sind das die Ausschüsse für Wahlrecht, die parlamentarische Geschäftsordnung und öffentliche Angelegenheiten. Selbst im Minderheiten-Ausschuss sind wir Dalit und Janajati in der Minderheit. Wir machen Druck und suchen öffentliche Unterstützung, aber wir werden nicht gehört. Nur wenn die neue Verfassung wirksame Minderheitenrechte garantiert, werden wir sie akzeptieren. Aber es gibt keine ermunternden Aussichten von Seiten der etablierten Parteien und der Verwaltung, es gibt überhaupt keine klaren Aussagen.
Wie steht es um die Zusammenarbeit mit den anderen Dalit-Abgeordneten, sprechen Sie mit vereinter Stimme?
Ich habe oft versucht, eine parteiübergreifende Zusammenarbeit anzustoßen. Leider richten sich meine Kollegen allein nach den Entscheidungen ihrer Parteivorstände. Sie sind anwesend, aber haben keine eigene Stimme. Viele sind nicht direkt sondern über Parteilisten gewählt, und haben keine einflussreichen Parteiposten. Sie haben nichts, womit sie ihrer Parteiführung drohen können. Als der Vorsitzende der UCPN-Maoist, Pushpa Kamal Dahal, Premier war, wurden alle Entscheidungen in seinem Privatwohnsitz getroffen. Formale Mechanismen sind in dieser Situation wirkungslos.
Gibt es dennoch Einigkeit bezüglich einiger Punkte, die in der alten Verfassung nicht adressiert wurden, etwa die Ausweitung von Reservierungen für Stellen im öffentlichen Dienst und Quotas in gewählten Gremien, oder die Notwendigkeit, kastenbasierte Diskriminierung nicht nur zu verbieten, sondern auch unter Strafe zu stellen?
Ja, die Mitglieder im Ausschuss sind sich einig, dass es strikter strafrechtlicher Normen bedarf, um Diskriminierung und die Praxis der Unberührbarkeit zu unterbinden. Aber leider haben sie keinen Einfluss auf die Parteivorstände, die solche Dinge nur als Teil eines auszuhandelnden Paketes interessieren. Unsere Partei ist der Meinung, dass bis zu zehn Jahre Haft und 100.000 Rupien Geldstrafe gesetzlich verankert werden müssen, und das Diskriminierungsdelikte von Amts wegen verfolgt werden sollten. Aber solche Details will selbst im Minderheiten-Ausschuss keiner diskutieren.
Selbst der Minderheitenausschuss interessiert sich nicht für die Forderungen der Dalit?
Alle Mitglieder reden gerne und oft über unsere Anliegen, allerdings nur, wenn kein Protokoll geführt wird.
Wie ist der Stand des Entwurfs?
Bisher gibt es nur einige Empfehlungen, und diese sind unzureichend. Einen umfassenden Ansatz zur Bekämpfung von Kasten-, Geschlechts-, Religions- und landbasierter Diskriminierung gibt es nicht und die Minderheitenvertreter sind nicht in der Lage, parteiübergreifend zusammenzuarbeiten.
Das Forum der Dalit-Abgeordneten kann dem nicht entgegenwirken?
Dort wird nur Tee getrunken, nicht gearbeitet. Nach der Gründungssitzung ist dort nichts mehr passiert. Ich habe stattdessen eine Vorlage im Parlament eingebracht, den Fraktionszwang bei Minderheitenangelegenheiten aufzuheben, aber die Parlamentarier von 22 der 25 Parteien haben dagegen gestimmt. Nachdem die Abgeordneten auch ein beratendes Gremium für Minderheiten mit festen Mitspracherechten abgelehnt haben, sehe ich keinen Nutzen in dem Forum der Dalit-Parlamentarier. Sinnvoller ist es jetzt, die Öffentlichkeit zu suchen.
In der Verfassungsgebung sind Konsultationen mit der Bevölkerung vorgesehen. Fanden sie statt und wurden ihre Ergebnisse veröffentlicht?
Die Ergebnisse der wenigen Konsultationen, die stattfanden, wurden nicht veröffentlicht, sie verblieben intern. Einige Nichtregierungsorganisationen haben Empfehlungen veröffentlicht, aber nicht die jeweiligen Ausschüsse. Auch die von NRO organisierten öffentlichen Anhörungen sind ohne Einfluss und dienen mehr der Selbstdarstellung der beteiligten Parlamentarier. Jetzt ist die Zeit, den Gesetzgeber zu Entscheidungen zu drängen. Die Zeit ist knapp, und wenn die verfassungsgebende Versammlung weiterarbeitet wie bisher, ist es unmöglich, bis Ende Mai 2011 einen Entwurf zu verabschieden.
Was planen Sie für den Fall, dass die Frist nicht eingehalten werden kann?
Wir bereiten uns auf eine landesweite Kampagne vor, um die Bevölkerung über die Arbeit der Ausschüsse zu informieren, die in Demonstrationen und Protesten vor dem Regierungssitz münden wird, bei der ein eigener gemeinsamer Verfassungsentwurf von Dalit- und anderen Minderheitenvertretern überreicht wird. Eine Verfassung ohne signifikante Verbesserung der Minderheitenrechte werden wir auf keinen Fall akzeptieren.
Zum Schluss ein Wort zu Reservierungen. Kann die indische Erfahrung, marginalisierten Gruppen Stellen im öffentlichen Dienst und der höheren Bildung zu reservieren, ein Vorbild für Nepal sein?
Reservierungen machen nur Sinn, wenn sie Teil eines umfassenden Systems des Ausgleichs erlittener Diskriminierung sind. An erster Stelle stehen gleiche Rechte und Chancen und deren garantierte Durchsetzbarkeit. In solch einem Rahmen können Quotierungen auf Basis sozialer Diskriminierung und wirtschaftlicher Lage Sinn machen. Aber sie müssen der gesamten Gemeinschaft zugute kommen, nicht nur Einzelnen, wie es in Indien der Fall ist.
Wenn sich Dr. Ambedkar durchgesetzt hätte mit seiner Forderung nach getrennten Wählerschaften, und Dalit-Parlamentarier von Dalits statt der gesamten Bevölkerung gewählt würden, stünde die indische Dalit-Bewegung heute stärker da, mit kämpferischen Vertretern aus ihrer Mitte. Nepals Politiker wissen das, auch sie wollen die Einheit der Dalits verhindern. Quotierungen können ihnen dabei helfen, wenn sie allein individuelle Verbesserungen bringen.
In Uttar Pradesh bemüht sich die BSP-Regierung intensiv, die Erinnerung an Dalit-Persönlichkeiten wie Dr. Ambedkar, J. Phule und andere zu pflegen und so ein eigenes Narrativ, eine neue Geschichte Indiens aus Sicht der Marginalisierten zu etablieren. Fehlt Nepals Dalit das Bewusstsein einer gemeinsamen Geschichte?
Derzeit sind wir im Prozess der Verfassungsgebung. Dabei können wir uns an historischen Parallelen orientieren, aber wir können nicht einfach ihrem Beispiel folgen. In einem späteren Schritt werden wir uns stärker bemühen, mit anderen Minderheiten-Bewegungen zusammenzuarbeiten. Im Moment haben wir ja noch nicht einmal korrekte Statistiken über den Bevölkerungsanteil der einzelnen Gemeinschaften.
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