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1923 veröffentlichte er im zentralindischen Nagpur die Abhandlung "Hindutva: Who is a Hindu?", in der erstmals die Idee einer Hindu-Nation formuliert wurde. Somit ist Savarkar der Begründer der Hindutva-Ideologie, deren staats-theoretischen und sozial-philosophischen Implikationen konflikthaft bis in die Gegenwart hinein reichen.
Savarkar wuchs im geistesgeschichtlichen Umfeld der alten Geheimbunde des westlichen Dekkan-Hochlandes auf, die traditionell gegen den moslemischen, später auch gegen den christlichen Kultureinfluß, kämpften. Er erhielt eine klassische Sanskrit-, aber auch eine westlich-englische Ausbildung.
In "Sources of Indian Traditions" werden zwei Ereignisse genannt, die Sarvarkars lebenslange Antipathie gegen die "Feinde des Hinduismus" begründete. Zum einem beteiligte er sich im Alter von zehn Jahren an blutigen kommunalistischen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems in den United Provinces. Zum anderem soll er sich an dem Tag, an dem zwei maharashtrische Terroristen gehängt wurden, geschworen haben, sein Leben dem erfolgreichen Abzug der Engländer aus Indien zu widmen. Es handelte sich bei diesen Terroristen um die Gebrüder Chapekar, die 1897 zwei britische Offiziere ermordet hatten.
Savarkars Bestreben richtete sich schon in seinen Jugendjahren gegen den als Bedrohung wahrgenommen Einfluß der "Fremden". Er gründete eine eigene Geheimgesellschaft, die "Union der Freunde" (Mitra Mela), die im Jahre 1900 in "Neue Indien-Gesellschaft" (Abhinava Bharat Society) umbenannt wurde und programmatisch für die gewaltsame Befreiung Indiens von der Kolonialmacht England eintrat. Allerdings zeichnete sich früh ab, daß Savarkar die Engländer gegenüber den Moslems als das kleinere Übel ansah.
1905 schloß Savarkar sein Studium an der Universität Bombay (andere Quellen sprechen von Poona/Pune) ab und verließ 1906 Indien, um in England Jura zu studieren. Für diesen Auslandsaufenthalt erhielt er ein Stipendium durch Shyamji Krishna Sharma [1], der die Stipendiaten dazu verpflichtete niemals in den britisch-indischen Staatsdienst einzutreten.
Während seines Aufenthaltes in England wurde er nachhaltig in seiner politischen Auffassung von den staatstheoretischen Ideen Europas beeinflußt. Er beschäftigte sich aktiv mit den ideellen Konzepten zu Nation und Nationalismus seiner Zeit und vertiefte sich unter anderem in Mazzinis Schriften [2] und dessen Autobiographie, die er auch ins Marathi übersetzte.
1907 veröffentlichte er zum 50. Jahrestag des Aufstandes in Indien: "The Indian War of Independence - 1857". Damit stellte er der britischen Sichtweise, daß es sich bei dem Aufstand um eine Meuterei der bengalischen Armee gehandelt habe, seine Interpretation der Ereignisse als erstem indischen Befreiungskrieg gegenüber.
1910 endete Savarkars Zeit in England, da er sich an einem politisch motivierten Attentat beteiligt hatte. Infolge der damit zusammenhängenden Verurteilung verblieb er bis 1937, davon bis 1922 als Verbannter auf den Andamanen-Inseln, in indischer Haft.
Während dieser Zeit der Gefangenschaft verfaßte Savarkar jene theoretisch-polemische Abhandlung, die in der Folge zu einer einflußreichen Programmschrift des politischen Hindutums werden sollte: "Hindutva: Who is a Hindu?".
Die staatstheoretischen Überlegungen Savarkars, die die Hindus vereint und zu denen sie zurückfinden sollen, orientieren sich an drei ideologischen Leitbegriffen: rashtra (gemeinsamer heiliger Boden), jati (gemeinsames Blut) und sanskriti (gemeinsame Kultur). Die Ideologie der Hindutva (Hindutum) verfolgt das Ziel, daß allein die Hindus den berechtigten Anspruch hätten, Indien als ihre Nation ansehen zu können. Die Grundannahme ist, daß diese Nation im Sinne einer Wiederbeschaffung zu verstehen ist. Ihre Legitimation findet sie in einer gemeinsamen, rekonstruierten Vergangenheit.
Nach der Haftentlassung übernahm er von 1937 bis 1948 die Führungsposition in der Hindu Mahasabha [3], wodurch es ihm möglich wurde, seine staatstheoretischen Ideen zu verbreiten. Trotz ihres beträchtlichen Einflusses auf die Entwicklung des politischen Klimas in Indien hin zu einer deutlichen kommunalistischen Polarisierung hatte die Hindu Mahasabha bei Wahlen kaum Erfolg.
Am 26. Februar 1966 starb Savarkar.
[1] Es handelt sich um einen Schüler Dayanandas, der sich in London niedergelassen hatte und sich von dort aus für die kämpferische Befreiung Indiens von der Fremdherrschaft einsetzte.
[2] Giuseppe Mazzini (1805-1872) galt als geistiger Führer der radikalrepublikanisch laizistischen Richtung des italienischen Risorgimento. Obwohl Mazzini politisch erfolglos blieb, trugen seine Ideen zur Einigung der italienischen Nation bei.
[3] Die Hindu-Mahasabha (große Hindugesellschaft) war eine zu Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene politische und kulturelle Vereinigung, die die Interessen des orthodoxen Hinduismus wahrnahm. (Nach der Ermordung M.K. Gandhis, die sie offiziell verurteilte, stellte sie ihre Tätigkeit zeitweise ein, weil der Mörder einer ihrer Mitglieder war.)
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