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20. Juni 2001. Analysen: Politik & Recht - Pakistan Pervez Musharraf

Ein General als Präsident Pakistans

General Pervez Musharraf übt seit dem Militärputsch vom 12. Oktober 1999 die Regierungsgewalt im zweitgrößten Staat Südasiens aus, zudem ist er seit dem 20. Juni 2001 Staatspräsident. Das heute über 160 Millionen Einwohner zählende Land am Indus wird durch diese Machtübernahme zum vierten Mal in seiner kurzen Geschichte vom Militär regiert. Der durch den unblutigen Coup an die Macht gelangte Diktator bezeichnet sich selbst als Chief Executive.

Musharraf wurde am 11. August 1943 als Sohn eines späteren pakistanischen Karrierediplomaten in Delhi geboren. Die Familie, in der er der zweite von drei Söhnen war, wanderte 1947 nach Karachi ins neu konstituierte Pakistan aus. Aufgrund der diplomatischen Tätigkeit seines Vaters, Syed Musharraf-ud-Din, lebte Musharraf von 1949 bis 1956 in der Türkei, wo er ausgezeichnete Kenntnisse der türkischen Sprache erwarb. Pervez Musharraf gilt als gläubiger, aber eher gemäßigter Muslim. Er ist seit 1968 mit seiner Frau Sehba verheiratet. Beide haben zusammen zwei erwachsene, verheiratete Kinder und eine Enkelin.

Nach der Rückkehr der Familie nach Pakistan besuchte Musharraf Schulen in Karachi und Lahore, bevor er 1961 die Militärakademie in Belutschistans Hauptstadt Quetta absolvierte sowie anschließend das National Defence College. Außerdem nahm er an Lehrgängen des britischen Royal College of Defence teil. 1964 wurde Musharraf zum Offizier befördert, diente in verschiedenen Artillerieregimentern und in der Eliteeinheit Special Service Group. Wichtige Stationen seiner steilen Militärkarriere waren die Teilnahme an den Kriegen von 1965 und 1971 gegen Indien. Über die Ränge eines Generalmajors und Generaldirektors im Generalstab rückte er 1995 zum Generalleutnant auf. In seiner Funktion als Generalstabschef, zu der er von Nawaz Sharif am 9.April 1999 berufen wurde, galt er als "Architekt" des Kargil-Konfliktes im indischen Teil Kaschmirs, die im Mai 1999 eine militärische Konfrontation mit Indien auslöste.

Dieser militärische wie außenpolitische Fehlschlag veranlaßte den damaligen Premierminister Nawaz Sharif auf internationalen Druck hin, einen Rückzug anzuordnen, der in Militärkreisen als Verrat und Demütigung aufgefaßt wurde. Musharraf warf Sharif offen Feigheit vor und kritisierte die "Unterwerfung" gegenüber den USA und der Weltbank scharf. Der offenbar seit längerem vorbereitete Militärputsch vom 12. Oktober 1999 war die Reaktion Musharrafs auf Sharifs Versuch, ihn als Generalstabschef abzusetzen. Musharraf übernahm die Regierungsgewalt während der abgesetzte Premier inhaftiert und des Hochverrats angeklagt wurde.

Das Ausland zeigte wenig Sympathie für die Machtübernahme. Pakistan wurde vorläufig aus der Commonwealth-Organisation ausgeschlossen und die Weltbank brach die noch mit Sharif begonnenen Kreditverhandlungen ab. Das neue Regime in Islamabad schlug einen gemäßigten Kurs ein, so wurde "lediglich" der Notstand ausgerufen und nicht etwa das Kriegsrecht. Im Gegensatz zu früheren Militärputschen wurden das Parlament und die Verfassung nur "suspendiert".

Musharraf sicherte dem Ausland zu, er werde alle internationalen Verträge respektieren. Er kündigte eine Politik der Zurückhaltung in Nuklear- und Raketenfragen an und bekräftigte seine Absicht, sich für die Ziele globaler atomarer Nichtweiterverbreitung und Abrüstung einzusetzen. Nicht in Aussicht gestellt wurden allerdings baldige Neuwahlen zum Parlament; das Militär wird vermutlich die Macht nicht so schnell aus der Hand geben.

Zur Enttäuschung der pakistanischen Öffentlichkeit verliefen die ehrgeizigen innenpolitischen Pläne des neuen Regimes, wie z.B. der Kampf gegen die Korruption, auch nach über einem Jahr Regierungszeit noch schleppend. Der angekündigte "harte wirtschaftliche Sanierungsplan" des schuldengeplagten Landes wird weiterhin die Innenpolitik von Musharrafs Regimes bestimmen, dem sehr daran gelegen ist, die Weltbank für sich zu gewinnen.

Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs Pakistans soll Musharraf bis 2002 zugunsten einer zivilen, demokratisch gewählten Regierung abdanken.

In jüngster Vergangenheit geriet Musharraf zunehmend unter Druck islamischer Fundamentalisten. Durch die Freilassung von Nawaz Sharif ins saudiarabische Exil entledigte er sich im Dezember 2000 seines alten Gegners. Im Juni 2001 drängte er überraschend Präsident Rafiq Tarar aus dem Amt und ließ sich vom Obersten Richter als Staatsoberhaupt vereidigen. Damit ist Musharraf der dritte Militärdiktator im Amte des Staatspräsidenten.

Von Beobachtern wird die Besetzung des höchsten Staatsamtes als weiterer Schritt auf dem Weg der Machtfestigung des Militärs gewertet, da Musharraf als Präsident nun in den kommenden Jahren die Geschicke des Landes bestimmen wird.

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