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Selbstbewusst sitzt Nasimun Ara Huq Besuchern an ihrem Glasschreibtisch gegenüber, von dem aus sie im Herzen von Dhaka über ein kleines Medienimperium herrscht. Die 55-Jährige ist Herausgeberin mehrerer Magazine der ICE Mediengruppe – neben einem englischsprachigen Familien- und Lifestyle-Magazin auch eine anspruchsvoll gemachte Kulturzeitung im Großformat, die einheimische Literatur, Theater und Gesang in bengalischer Sprache fördern will.
Etwas fällt gleich an ihr auf. Nicht der Sari, das gewickelte Kleidungsstück, das in der Hauptstadt Bangladeschs anders als in Pakistan viele Muslima tragen, sondern es ist der rote Punkt auf der Stirn, ein hinduistisches Symbol, das sie als Mode-Accessoire trägt , was ihre liberale Gesinnung verrät. Aber eine gewöhnliche Frau ist Nasimun Huq sowieso nicht. Dass sie eine Pionierin ist und eine Spitzenposition erreicht hat, macht sie zum Vorbild für ihre Geschlechtsgenossinnen im Lande. Als sie ihre Karriere 1979 begann, war sie als Journalistin in einer Nachrichtenredaktion die Ausnahme. "Mein Vater war ehrgeizig, es war sein Wunsch, dass ich Lehrerin am College werde. Aber ich war gegen das Stereotyp. Frauen sollten nicht nur in den frauentypischen Berufen arbeiten wie Lehrer oder Doktor. Ich wollte etwas Neues. Nach vielen Berufsjahren als Journalistin stellte ich allerdings fest, dass die Zahl von Frauen in den Medien immer noch gering ist. Deshalb haben wir den Verband der Journalistinnen 2001 gegründet." Heute hat der Verband 100 Mitglieder; in den Medien stehen mittlerweile ca. 400 Journalistinnen 6.000 männlichen Kollegen gegenüber.
Als Präsidentin des Journalistinnen-Verbandes betreibt Nasimun Huq engagiert Lobbyarbeit. Die Jungen stecken in den Startlöchern, drängen in alle Ressorts, doch es mangele an Qualifikation, weshalb der Verband Trainingsprogramme anbietet. Zu den Medien Bangladeschs zählen rund 400 Zeitungen, darunter 20 große, und 9 private Radiostationen neben den staatlichen Sendern. Doch überall seien Frauen unterrepräsentiert, so dass frauenrelevante Themen unter den Tisch fielen. "Es gibt viel Gewalt; sexuelle Belästigung ist ein großes Problem, oder Säureattentate. Wir müssen Bewusstsein für diese Themen in die Gesellschaft bringen, damit wir frauenfreundliche Medien bekommen, die ein Sprachrohr für unsere Rechte sein können."
Ob am Arbeitsplatz oder auf den Wegen zur Arbeit oder nach Hause – berufstätige Frauen sind häufig sexuellen Belästigungen durch Männer ausgesetzt. Vergewaltigungen und als Folge Selbstmorde aus Scham sind keine Seltenheit. Es gibt zu wenige Busse und Taxis oder Rikschas sind unsichere Transportmittel. Deshalb gehen sie bevorzugt in Gruppen aus.
Tausende Frauen arbeiten in den Textilfabriken und verwandeln jeden Morgen mit ihren bunten Kleidern das Stadtbild in ein Farbspektakel. Vor 15 Jahren undenkbar, sagt die Gewerkschafterin Shamima Nasrin, denn der Beruf galt als anstößig. Nasrin, die aus einfachen Verhältnissen stammt, arbeitete bereits mit 18 Jahren in einer der in Dhaka ansässigen Nähereien. 700 Taka betrug ihr Monatslohn, rund 6, 50 Euro für 25 Tage, 12 Stunden täglich. Die Bezahlung war schlecht, die Behandlung durch die Vorarbeiter umso unerträglicher. Irgendwann wollte sie das nicht mehr hinnehmen und schloss sich mit 200 weiteren Frauen zusammen. "Ich begann gegen die Diskriminierung zu protestieren und verlor prompt meinen Job. Jeder wusste, dass ich mich zu Wehr setzte und es war unmöglich wieder einen Job in einer anderen Fabrik zu bekommen. So begann ich die Arbeiterinnen zu organisieren."
Bis auf wenige Ausnahmen sind Gewerkschaften in den Fabriken nicht zugelassen. Um sich legal zu etablieren, müssen sie über Mehrheiten verfügen. Wie im englischen System gibt es aber viele Gewerkschaften und Vertreter, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Shamima führt zum Beispiel eine Textilarbeiterorganisation mit 40.000 Mitgliedern an. Neben Mushrefa Mishu, Präsidentin der Textilarbeiterinnengewerkschaft GWUF (Garment Workers' Unity Forum), die für ihre Protestaktionen international bekannt wurde, ist Nasrin eine der wenigen weiblichen Gewerkschaftsführerinnen, deren Worte starkes Gewicht haben. Ihr Rat ist bei internationalen Organisationen gefragt, Gewerkschaftschefs aus den EU-Staaten laden sie zum Austausch ein. Zurzeit ist die Gesundheitsfürsorge für Fabrikarbeiterinnen ihr ein besonderes Anliegen: "In den meisten Fällen können sich Frauen kein ausreichendes Essen leisten, deshalb fordern wir von der Regierung verbilligte Lebensmittel zu fairen Preisen. Dazu kommt, dass in vielen Fällen die Arbeiterinnen an Tuberkulose, Asthma, Schmerzen im Rücken oder in den Beinen leiden, weil ihre Stühle nicht an den Arbeitstisch angepasst sind. Deshalb haben sie orthopädische Probleme."
Eine ärztliche Behandlung ist zu teuer bei den Niedriglöhnen. Die Gewerkschaftsfrau fordert daher vom Staat kostenlose Nothilfe in den staatlichen Krankenhäusern. Sie hat Unterstützer im Ministerium für Arbeit, aber auch Gegner, denn eine ganze Reihe Parlamentsangehörige sind selbst Textilfabrikenbesitzer, die bei Wachstumsraten von 8 Prozent mit an den sagenhaften Profiten verdienen. In diesem Interessenkonflikt will die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, die Mitbestimmung von Frauen stärken, wobei in den Fabriken unterschiedliche Niveaus bei den Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards zu berücksichtigen sind. Die GIZ ist mit Programmen wie "Helping Bangladeshi Women Claim Their Rights" und "Bangladesh Readymade Garment Sector Faces New Era" vor Ort aktiv. In Schulungen sollen Frauen die Arbeitsgesetzgebung und ihre Rechte besser kennen lernen. 24.000 Frauen sind mittlerweile ausgebildet worden und gerüstet, vom Management in den Fabriken ihre Rechte einzufordern. Sie werden ebenso befähigt, in höhere Leitungsposten aufzusteigen, lernen, zu verhandeln und sich zu präsentieren.
Die gute Nachricht ist, dass mit der Berufstätigkeit von Frauen die Kinderarbeit aus der Textilbranche weitgehend verdrängt wurde. Frauen heiraten heute zudem später, außerdem unterstützen viele ihre Familien auf dem Land, die von ihren winzigen Parzellen nicht überleben könnten, und bilden so das Rückgrad der Gesellschaft, sagt Peter Palesch von der GIZ. "Es wird nur über Ausbeutung gesprochen. Was aber passiert, ist eine absolute Revolution in Bangladesch, was die Stellung der Frau anbelangt. Das Problem in Bangladesch ist nicht, dass in den Fabriken Ausbeutung stattfindet, sondern eigentlich eher, dass eine unheimliche Knappheit an Arbeitsplätzen besteht und die Menschen zu jeglichen Bedingungen bereit sind zu arbeiten."
Zwei Millionen Arbeitssuchende kommen jedes Jahr neu hinzu auf den Markt. Die Frauen verdienen zu wenig, doch es ergeht ihnen in den Textilfabriken oft besser als den zahlreichen Haushaltshilfen, über deren Schicksal kaum einer spricht. Die Stadt ist für die meisten Frauen der bessere Ort, meint Anette Funke, die GIZ-Frauenprojekte betreut, weil sich die Frauen dort leichter Hilfe von NGOs holen können. "Um hier ein Gerichtsverfahren zu führen, braucht man Geld und Zeit. Die Gerichte sind überfordert mit der Unzahl an Verfahren, die anhängig sind. Es gibt ein traditionelles Konfliktlösungsverfahren, das funktioniert, weil es Leute anerkennen. Für Frauen sieht es häufig negativ aus, weil die zu Gericht sitzenden Männer am besten wissen, was für den Frieden der Gemeinde richtig ist. Wenn eine Vergewaltigung stattgefunden hat, dann wird das Mädel mit dem Vergewaltiger verheiratet und damit ist die Schande von der Familie genommen. Da setzen wir an, um die Leute aufzuklären und aus dem Verfahren eine Mediation zu machen, damit auch das Opfer angehört wird."
Die amtierende Präsidentin Sheik Hasina Wazed von der Awami League ist auf der Seite der Frauen, sagt die Journalistin Nasimun Ara Huq. Sie unterstütze den Kurs der Frauen. Ihre nationale Entwicklungspolitik wurde 1996 im Einklang mit den Richtlinien der Frauenkonferenz von Beijing verabschiedet. "Doch dann wechselte die Regierung und deren neuer Partner, die Jamat Islamia, war konservativ und drehte das Rad für Frauen zurück. Es gab große Proteste der Frauenbewegung, es kam zu Korrekturen, aber wir bestanden darauf, dass die Politik die Voraussetzungen von 2006 wieder herstellt." Nach der Wiederwahl 2009 hat Sheik Hasina ihr Wahlversprechen gehalten. Seit August 2010 gibt es endlich das lange von den Frauen erwartete Gewaltschutzgesetz, welches nun langsam umgesetzt werden soll.
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