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31. Januar 2009. Analysen: Indien - Politik & Recht Portrait: Omar Abdullah

Neuer Ministerpräsident von Jammu & Kashmir

Omar Abdullah wurde am 5. Januar 2009 als jüngster Ministerpräsident des Krisenstaates Jammu & Kashmir vereidigt. Sein Amtsantritt dürfte eine wichtige Zäsur darstellen, da er einen politischen Generationswechsel verkörpert – gleichwohl steht er vor sehr großen Herausforderungen.

Der 38-jährige Omar Abdullah führt als Ministerpräsident Jammu & Kashmirs eine Koalitionsregierung von National Conference (NC) und Congress. Beide Parteien gehen erstmals nach zwei Jahrzehnten politisch wieder zusammen. Es wird keine Rotation in der Position des Ministerpräsidenten für die Dauer der Legislaturperiode von sechs Jahren geben, allerdings eine gleiche Anzahl von Ministern beider Parteien.

Der zusammen mit seiner Familie hoch sicherheitsgefährdete Omar Abdullah macht einen sehr sympathischen und äußerst rationalen Eindruck. Sein Amtsantritt markiert einen überfälligen und erfrischenden Generationswechsel, der Lösungen für diesen von Bürgerkrieg und zahlreichen Infrastrukturproblemen geplagten Staat erhoffen läßt.

Ausbildung und beruflicher Hintergrund

Der im englischen Essex am 10. März 1970 geborene einzige Sohn des früheren Ministerpräsidenten Dr. Farooq Abdullah und seiner britischen Ehefrau Molly, einer Krankenschwester, ging nach ersten Schuljahren in Schottland und Srinagar in eine Internatsschule in Himachal Pradesh. Er studierte Betriebswirtschaft und machte einen M.A. in Wirtschaftsverwaltung sowohl am Sydenham College in Mumbai als auch an der University Strathclyde in Schottland. Das Motto seiner Schulausbildung "nie aufzugeben" prägte Omar Abdullah nach eigener Aussage sehr.

Der moderne Muslim Omar Abdullah ist mit Payal, seiner beruflich selbständigen Frau, die Hindu ist, verheiratet. Sie haben einen elf- und einen zehnjährigen Sohn. Payal besitzt eine Mineralwasser-Firma im Kullu-Distrikt in Himachal Pradesh und ist in der Reisebranche tätig. Ihre Familie, der Vater war Armee-Offizier, kommt aus Delhi mit Wurzeln im heute pakistanischen Lahore. Omar Abdullah trennt Politik und Familie sehr. Seine Frau tritt in der Öffentlichkeit zurückhaltend auf: "Sie spielt die wichtigste Rolle dadurch, dass sie sicherstellt, dass ich ein Zuhause habe, in das ich zurück kehren kann, dass sie die ganze Verantwortung für die Erziehung unserer beiden Jungen trägt und zur gleichen Zeit ihr Reisegeschäft führt. Sie ist außerdem ein unparteilicher Resonanzboden und eine harte Kritikerin, wenn sie fühlt, dass ich Unrecht habe."

Omar Abdullah, durch die jüngere seiner drei Schwestern mit dem bekannten Congress-Jugendpolitiker Sachin Pilot verschwägert, ist mit Rahul Gandhi, Congress-Kronprinz und Sohn der Parteipräsidentin Sonia Gandhi, befreundet.

Politische Stationen

Bei seinem Eintritt in die Politik im Jahr 1998 als Unterhausabgeordneter dieses überaus exponierten Staates und auch noch 2002 bei seiner Niederlage in der Hochburg der Abdullah-Familie, im Wahlkreis Ganderbal, bei der Wahl zum Landesparlament von Jammu & Kashmir, konnte sich Omar Abdullah kaum in der lingua franca Kashmiri verständlich machen. Im Nachhinein dankte er den Wählern für diese Lektion, dass er seine erste Wahl zum Staatsparlament, in der er als nicht wirklich in J & K verhafteter Politiker wahrgenommen wurde, verlor. Das sprachliche Problem hat er mittlerweile gemeistert.

2001 übernahm Omar Abdullah die Präsidentschaft seiner Partei. 2002 ging die NC, obwohl stärkste Partei, nach der Landtagswahl in Jammu & Kashmir in Opposition zur Koalitionsregierung von People's Democratic Party (PDP) und Congress.

Das dreimalige Mitglied des indischen Unterhauses (1998, 1999 und 2004) fungierte unter Premierminister Atal Bihari Vajpayee sowohl als Staatsminister im Handels- als auch im Außenministerium. Er war mit 29 Jahren der jüngste Unionsminister in der Geschichte Indiens. Er galt auch als das prominente "Muslim-Gesicht" der von der hindu-nationalistischen BJP geführten National-Demokratischen Allianz (NDA). Nur mit zeitlicher Verzögerung brachen die National Conference und Omar Abdullah die Beziehung zur BJP und NDA nach den genozidartigen Übergriffen gegen Muslime in Gujarat.

In seiner über die Parteigrenzen hinweg sehr populären Rede anlässlich der Vertrauensabstimmung über die von Manmohan Singh geführte UPA-Regierung im Juli 2008 machte Omar Abdullah folgende Aufsehen erregenden Äußerungen: "Ich bin ein Muslim und ich bin ein Inder und ich sehe keinen Unterschied zwischen Beiden. – Ich machte einmal den Fehler, an ihrer Seite (BJP/NDA, K. V.) zu stehen. Wegen der Gujarat-Frage trat ich nicht zurück. Ich trat nicht zurück, als mir mein Gewissen sagte, dies zu tun und mein Gewissen hat mir dies bislang nicht vergeben. Ich werde den gleichen Fehler nicht noch einmal begehen."

Umrisse seines politischen Programms

Nach seinem legendären Großvater, Sheikh Abdullah, Begründer der National Conference und als 'Löwe von Kashmir' populär erinnert, und seinem Vater Farooq Abdullah besetzt mit dem 38-jährigen Omar Abdullah diese politische Dynastie nunmehr in dritter Generation das höchste Amt. Er setzt, wie sein Großvater und Vater, in der kalten Jahreszeit und zu feierlichen Anlässen die Tradition fort, eine Karakuli-Kopfbedeckung zu tragen. Diese weiche Pelzmütze stammt von einer besonderen Schafsorte aus Zentral-Asien und gilt als Markenzeichen der Abdullah-Familie.

Der gottesfürchtige Omar Abdullah, der, wie ein Kommentator ohne religiöse Konnotationen meinte, eine "Dornenkrone" trägt - ein Mordanschlag auf ihn mit Granaten schlug im Juli 2007 fehl - betont, dass die von ihm geführte Regierung unbedingt sichtbare Ergebnisse vorlegen muß. Die hohe Beteiligung an dieser Wahl erklärte sich dadurch, dass es den Menschen um "Elektrizität, Straßen und Wasser" ging. Omar Abdullah, der mit modernster IT-Technik wie wohl kein anderer indischer Ministerpräsident umzugehen versteht, verspricht einen neuen Führungsstil: "Ich bin nicht korrupt, deshalb kann ich die erwischen, die es sind."

"Friede, Entwicklung und Beschäftigung werden meine höchsten Prioritäten sein." Omar Abdullah will auch explizit den privaten industriellen Sektor fördern, da Regierungsjobs für die auf etwa Drei- bis Vierhunderttausend geschätzten, schulisch ausgebildeten und überwiegend jugendlichen Arbeitslosen nicht in genügender Anzahl zur Verfügung stehen. Er macht deutlich, dass er verstärkt E-governance praktizieren und vom Right to Information Act Gebrauch machen möchte, um eine sauberere Administration zu ermöglichen. Es wird von ihm ein Arbeitsstil wie in der Industrie- und Geschäftswelt üblich erwartet. Er ist sich gleichzeitig aber auch der Lebensbedingungen in seinem Staat bewußt und betont, dass viele Menschen unter oft noch schwersten Bedingungen wie im 19. und 20. Jahrhundert leben.

Omar Abdullah machte auch deutlich, dass der Separatismus in Jammu & Kashmir nicht mit dem 'Naxalismus' der Maoisten zu vergleichen sei. Trotz auch sozialer Ursachen seien die Wurzeln dieses Konflikts speziell im Kashmir-Tal doch tiefer gehender Natur. Er will Gespräche mit den Separatisten führen: "Wir werden solches Engagement ermöglichen. Ich werde mit New Delhi sprechen, aber sie (die Separatisten, K. V.) müssen einen Teil der Entfernung reisen und bereit sein, die von der Bevölkerung erwarteten Lektionen zu lernen."

Es wird interessant sein zu beobachten, wieweit Omar Abdullah die Karte der angestrebten Autonomie unter der Bedingungen seiner Koalitionsregierung wird ausreizen können: "Ich denke nicht, dass jemand dagegen ernst zu nehmende Bedenken haben sollte. Es bewegt sich alles im Rahmen der Verfassung. Wir sprechen nicht über die Einführung der pakistanischen Währung in Kashmir. Autonomie war nicht ein Geschenk des Maharaja (Hari Singh). Es war etwas, dem Pandit Nehru zugestimmt hat."

Omar Abdullah erregte im März 2006 großes Aufsehen, als er als erster Politiker des Mainstream in Kashmir ein Vier-Augen-Gespräch mit dem damaligen pakistanischen Präsidenten Pervez Musharaff führte. Angeblich bewirkte dies damals sogar einen Politik-Wechsel Islamabads hinsichtlich seines Verhältnisses zur All Party Hurryiat Conference.

Omar Abdullah plant außerdem, die für die Kohäsion der Gesellschaft einst so wichtigen Kashmiri Pandits, die in einem großen Exodus von fast 140.000 Menschen auf dem Höhepunkt der gewalttätigen Militanz Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu Flüchtlingen im eigenen Land wurden, wieder zurück ins Kashmir-Tal zu holen.

Die United Progressive Alliance (UPA) hat durch diese Koalition einen neuen Partner für die kommende Unterhauswahl gewonnen, damit aber auch ihren bisherigen Verbündeten, die People's Democratic Party (PDP), verloren. Eine Koalition von NC und Congress könnte bei der Unterhauswahl 2009 alle sechs Mandate in J & K gewinnen, denn BJP und PDP können nicht zusammen gehen und vorausgesetzt, die Situation bleibt bis dahin halbwegs stabil, so dürften die Zahlen für diese Pole voneinander entfernten Oppositionsparteien nicht reichen.

Omar Abdullahs Vater, Dr. Farooq Abdullah, hoffte einst, unter Vajpayee das Amt des indischen Vize-Präsidenten antreten zu können. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser immer noch sehr charismatische Politiker in Zukunft national, sei es als direkt gewähltes Mitglied der Lok Sabha oder in der Rajya Sabha, oder auch international eine Rolle spielen wird. Dies würde es seinem vom Stil her doch grundverschiedenen Sohn Omar Abdullah vielleicht erlauben, aus dem Schatten seines Vaters heraus zu treten und eine neue Ära in diesem auf heilende Lösungen hoffenden Krisenstaat der Indischen Union einläuten zu können.

Neben den dringenden Maßnahmen zur Infrastrukturverbesserung muß der neue Ministerpräsident, dessen nationaler Leumund außer Frage steht, außerdem das Kunststück fertigbringen, "auf dem Drahtseil zwischen kashmirischem Sub-Nationalismus und indischem Nationalismus zu balancieren." (Namita Bhandare: How Will Omar Prove His Regional Credentials? MINT, S. 21) Viel wird auch davon abhängen, wie seine parlamentarischen und vor allem außerparlamentarischen Gegenspieler aus dem Lager der Separatisten, die nach ihrem fehlgeschlagenen Aufruf zum Wahlboykott der konstruktiven Selbstkritik bedürfen, in Zukunft agieren werden.

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