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Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 59,8 Prozent (2002: 61,5 Prozent) konnte sich die Bharatiya Janata Party (Indische Volkspartei/BJP) in dem etwa 55 Millionen Einwohner zählenden Staat Gujarat, den sie seit 1995 regiert, zum vierten Mal in Folge behaupten. Sie gewann 117 Sitze (2002 waren es noch 127) und verfehlte nur knapp eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Dem Congress gelang es nicht, den mächtigen, aber wegen seines autoritären Führungsstils umstrittenen Ministerpräsidenten Narendra Modi zu stürzen. So kam die Partei nur auf 59 (2002 waren es sogar nur 51) Mandate und die verbündete Nationalist Congress Party (NCP) auf drei (2002 war sie leer ausgegangen). Daneben gewann die Janata Dal (United) einen Sitz (2002: zwei Sitze), und es konnten sich – wie schon 2002 – zwei unabhängige Kandidaten durchsetzen. Eindeutig profitiert hat die BJP bei ihrem Wahlsieg vom indischen Mehrheitswahlrecht, bei dem der Kandidat mit den meisten Stimmen das Mandat des Wahlkreises gewinnt: Sie gewann 49,1 Prozent (2002: 49,9 Prozent) der Stimmen, während Congress und NCP zusammen knapp 40 Prozent auf sich vereinigen konnten; die Bahujan Samaj Party (BSP) gewann 2,6 Prozent und die JD (U) nur 0,7 Prozent.
Dank eines systematischen Personenkultes verkörperte Modi – ein Kritiker nannte ihn "die schizophrenste Persönlichkeit der indischen Politik" – in diesem Wahlkampf fast exklusiv die BJP in Gujarat. Tausende Anhänger trugen Masken mit seinem Konterfei. Der seit 2001 amtierende Ministerpräsident, ein diplomierter Politikwissenschaftler, der sozial zu den Other Backward Castes (OBCs) gehört, hatte einst in den USA einen dreimonatigen Kurs zu Öffentlichkeitsarbeit und Imagekampagnen absolviert.
Modis Wahlkampfmaschine lief "reibungslos wie ein internationales Unternehmen". Als Redner provozierte er nicht nur seine Gegner, sondern auch seine Ziehväter und Parteifreunde. Er schimpfte gegen Muslime und Christen, die als das "Andere" porträtiert wurden, sowie gegen Sonia Gandhi, der er vorwarf, gemeinsam mit der Zentralregierung, die "Hindu-Kultur in diesem Land auszulöschen". Zugleich forderte er eine Modernisierung der Landwirtschaft, setzte sich vehement für eine bessere schulische Ausbildung insbesondere von Mädchen ein und griff die Praxis des Abtreibens weiblicher Föten scharf an. In beiden Bereichen konnte er auf eine erfolgreiche Bilanz seiner Regierung verweisen.
Indiens Milliarden schwere Unternehmer, von den Ambani-Brüdern über Ratan Tata bis zu Kumaramanglam Birla, suchen seine Nähe, denn Modi – manche unterstellen ihm eine "Vision für Gujarat" – gilt als Modernisierer, der dem nationalen Großkapital zugeneigt ist. Unterstützung erhielt er auch von einflussreichen Medien in Gujarat und von prominenten Non-Resident Indians aus den USA und Großbritannien, die seinen Wahlkampf mit großen Geldsummen förderten.
Beliebt ist der Premierminister vor allem bei den städtischen hinduistischen Mittel- und Oberschichten. Sonia Gandhis scharfe Angriffe wegen der Pogrome von 2002 konterte er mit dem Hinweis auf "den Vormarsch des islamischen Terrorismus" in vielen Teilen Indiens und fand damit offenbar offene Ohren. Einem Wirtschaftsjournalisten der Times of India zufolge würden die Hindus in Gujarat sich kaum über Menschenrechtsverletzungen beunruhigen, sondern, da ihre Hauptsorge dem Terrorismus gelte, zum Beispiel Tötungen bei gestellten Zwischenfällen (encounter killings) befürworten.
Widerstand gegen Modi kam aus den Reihen seiner parteiinternen Gegner. Die Sardar Patel Utkas Samiti, eine Gruppe um seinen ehemaligen Innenminister Gordhanbhai Zadaphia, die in mehr als 140 Städten Versammlungen organisierte, brachte allein in Surat 200.000 Menschen auf die Straße, um gegen Modis "autokratische Herrschaft" zu protestieren. Ihr Name erinnert an Indiens ersten Innenminister, den aus Gujarat stammenden Sardar Patel, und deutet an, dass sie unzufriedene Teile der einflussreichen Kaste der Patels vertrat. Hintergrund ihrer Rebellion war, dass Modi den Patriarchen Keshubhai Patel, BJP-Gründungsmitglied und ehemals Ministerpräsident, politisch kalt gestellt hatte. Modi suchte die Dissidenz zu neutralisieren, indem er auf der Halbinsel Saurashtra 22 Patels zur Wahl aufstellte. Unterstützung suchte er auch bei der "rückständigen" Gemeinschaft der Kohlis, die etwa 22 Prozent von Gujarats Bevölkerung ausmachen, dadurch, dass er 14 Kandidaten aus ihren Reihen auswählte. Modi und der BJP gelang es außerdem, die charismatische Uma Bharati, ehemals Unionsministerin und früher BJP-Ministerpräsidentin in Madhya Pradesh, weitgehend davon abzuhalten, mit ihrer Bharatiya Janashakti Party, der "wahren BJP", im Wahlkampf mitzumischen. So konnte eine Spaltung des Hindutva-Lagers vermieden werden.
Im Gegensatz zu 2002 verhielt sich die hindu-nationalistische Kaderorganisation Rashtriya Swayamsevak Sangh (Nationales Freiwilligenkorps/RSS) diesmal neutral. Auch die mächtige fundamentalistische Vishwa Hindu Parishad (Weltrat der Hindus/VHP), mit dem in seinen anti-muslimischen Tiraden noch radikaleren Pravin Togadia an der Spitze, mobilisierte bei dieser Wahl nicht wie zuletzt ihre Kader. Beide Organisationen hatten durch ihre jahrelange Basisarbeit den Erfolg der BJP in Gujarat überhaupt erst möglich gemacht und zielen darauf, den Staat zum "Hindutva-Labor" zu machen. Hintergrund des Boykotts war die Inhaftierung von fast 30.000 Menschen, unter ihnen viele Hindutva-Aktivisten nach den Pogromen von 2002, die darauf abzielte, die damaligen Vorwürfe gegen Modi zu entkräften.
Der Congress investierte viel in den Wahlkampf, ließ aber eine klare Strategie vermissen. Die Partei vermied es, als Sachwalter der verunsicherten muslimischen Minderheit aufzutreten, und stellte nur in sechs Wahlkreisen muslimische Kandidaten auf. Trotz einer 64-seitigen "Anklageschrift" des Congress gegen Modi und seine BJP blieben die Pogrome von 2002 zu Beginn des Wahlkampfs unerwähnt. Vielmehr wurde auf die Differenzen innerhalb der BJP und die regionalen Entwicklungsunterschiede hingewiesen. Wachstum, so der Slogan, müsse inklusiv sein. In den Reihen des Congress kämpften nun auch ehemalige BJP-Politiker um die Macht.
Die Kampagne erreichte ihren Wendepunkt, als Sonia Gandhi Modi und sein Establishment wegen der Pogrome von 2002 "Händler des Todes" nannte. Congress-Generalsekretär Digvijay Singh steigerte die Angriffe noch und bezichtigte die BJP des "Hindu-Terrorismus". Modi, zu Beginn des Wahlkampfs noch die wirtschafts- und entwicklungspolitischen Erfolge eines "dynamischen Gujarat" betonend, spielte nun die Karte des "Stolzes" (Asmita) erfolgreich aus. Er verdächtigte die Congress-Präsidentin, gegen "Gujarat und die Armen" eingestellt zu sein, und riet ihr, ihre Sachen zu packen und zurück nach Italien zu gehen. Die Zentralregierung habe nichts gegen die Ausweitung des Terrorismus unternommen und zögere mit Rücksicht auf die Stimmen der muslimischen Wähler, die Hinrichtung des zum Tode verurteilten Afzal Guru im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das indische Parlament 2001 zu vollstrecken. Geschickt legte Modi den Finger auf wunde Stellen und riet dem Congress angesichts des Sikh-Pogroms von 1984 vor seiner eigenen Türe zu kehren.
BJP Veteran L.K. Advani wies Sonia Gandhis Anschuldigungen entschieden zurück und meinte, man könne Modi bestenfalls "Hitler" (sic!) nennen – laut Advani in Indien ein Oberbegriff für einen autoritären Politiker. In einer Fernsehdebatte mit dem Congress-Wissenschaftsminister Kapil Sibbal sprach BJP-Generalsekretär Arun Jaitley von mehr als 5.600 Opfern terroristischer Anschläge seit 2004 in Indien. Sibbal konterte mit dem Hinweis auf 21.000 Binnenflüchtlinge in Gujarat, die nicht in ihre Wohngebiete zurückkehren könnten. Er kündigte an, dass seine Partei im Falle eines Wahlsiegs die Verantwortlichen für die Massaker von 2002 zur Rechenschaft ziehen würde.
Nicht zuletzt versuchte sich Rahul Gandhi, Sohn der Parteipräsidentin und neu ernannter Congress-Generalsekretär, im Wahlkampf zu profilieren. Er stellte die Erfolgsbilanz der Modi-Regierung – "ein Paket von Lügen" – kategorisch in Frage, indem er die hohe Staatsverschuldung in Gujarat kritisierte und die beschäftigungspolitischen Effekte der zahlreichen Investitionsvorhaben anzweifelte.
Die Times of India beschrieb Modi als "guten Administrator und recht sauberen Politiker". Sie verwies auf das außergewöhnlich schnelle Wachstum Gujarats und die zahlreichen Investitionen, die allerdings überwiegend in kapitalintensiven Industrien erfolgten, so zum Beispiel die Erdölraffinerien großer Unternehmen wie Essar und Reliance. Modi habe nahezu den ganzen Staat in eine Special Economic Zone (Sonderwirtschaftszone/SEZ) verwandelt.
Die Städte hätten unter Modi, so die Times of India, ein Maximum an Elektrizität und des durch den Narmada-Staudamm gewonnen Wassers erhalten. Die Landwirtschaft weise dank guter Monsunregen in den letzten drei Jahren ein Wachstum von 12 Prozent auf und liege damit weit über dem nationalen Durchschnitt. Verbessert worden sei die Lage der ländlichen Gebiete, wo mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben, aber auch durch die Wasserzufuhr aus dem wegen seiner Zwangsumsiedlungen umstrittenen Narmada-Sarovar-Projekt und mehr als 100.000 kleinen Staudämmen.
Unterstellungen des Congress, dass 80.000 Kleinindustrien schließen mussten, wiesen Vertreter derselben zurück und erklärten, dass dies nur für Plastik und Textilien zutreffe und dass die geschlossenen Kleinfabriken sich reorganisert hätten, um unter anderem mit China konkurrieren zu können. Nicht Modi, sondern die Globalisierung sei die Ursache der Probleme, und Gujarats Industrielle würden sich schnell anpassen. Premierminister Manmohan Singh konzedierte halbherzig, dass in Gujarat Entwicklung stattgefunden habe, aber dies den von der Zentralregierung zur Verfügung gestellten Fonds zu verdanken sei.
Kritiker weisen allerdings auf die evidenten ökologischen Zerstörungen und die enormen Unterschiede zwischen Reich und Arm hin. So sei es auch in Gujarat in den letzten fünf Jahren zu Selbstmorden verschuldeter Bauern gekommen, deren Zahl mit 500 allerdings vergleichsweise gering gegenüber Staaten wie Maharashtra oder Andhra Pradesh sei. Der Prozentsatz unterernährter Kinder in Gujarat liege allerdings über dem indischen Durchschnitt. Gesundheit und Erziehung würden vernachlässigt. Andere Kommentatoren meinten sogar, dass die Infrastruktur in einem schlechten Zustand sei und es an einer ausreichenden Stromversorgung mangele.
Bis Mitte der 1980er Jahre galt Gujarat aufgrund der sogenannten KHAM-Strategie (Kshatriya, Harijan, Muslim, Adivasi als gemeinsame Votebank) als Hochburg des Congress. Zusammen mit einem starken Rückhalt bei den Textilarbeitern der streikunwilligen gandhianischen Textilarbeitergewerkschaft (Textile Labour Association/TLA) garantierte dieses soziale Bündnis sichere Erfolge. Der Bofors-Korruptionsskandal und die organisatorische Schwäche der Congress-Partei unter Rajiv Gandhi in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre, die schwere Krise der indischen Textilindustrie mit ihren verheerenden Folgen für Ahmedabad und andere Zentren Gujarats ermöglichten es den Hindu-Nationalisten in der Folgezeit, diese Phalanx aufzubrechen.
Dem Congress fehlte eine überragende Politikerpersönlichkeit in Gujarat. Der mächtigste unter ihnen, Unionsminister Shankarsinh Vaghela, ist ein ehemaliger BJP- und RSS-Kader. Deshalb musste die mittlerweile in Wahlkämpfen gestählte Sonia Gandhi, obwohl keine große Rednerin, die Attacken gegen das hindu-nationalistische Lager selber anführen. Nach dem Scheitern des "weichen Hindutva"-Wahlkampfes von 2002 setzte der Congress bei dieser Wahl auf Kasten-Allianzen, die Unzufriedenheit von Teilen der Bauern und Adivasis, ländliche Arme und städtische Slumbewohner, große Teile der Muslime und auf angeblich Modi entfremdete Kasten wie die Leuva-Patels und Kolis sowie auf BJP-Überläufer, von denen sogar einige angeblich bei den Massakern 2002 involviert waren.
Auch die an die Unterprivilegierten appellierende Bahujan Samaj Party (BSP) zeigte Präsenz mit Kandidaten in 166 Wahlkreisen und Großveranstaltungen, die durch Mayawati, die Ministerpräsidentin von Uttar Pradesh, bestritten wurden. Die BSP dürfte nicht wenige Stimmen von Muslimen für sich gewonnen haben, die auf der Suche waren nach Alternativen zwischen BJP und Congress, den sie gleichfalls als pro-Hindu einstuften.
Demgegenüber gelang es dem unermüdlichen Wahlkämpfer Modi mit Personenkult und der direkten Ansprache von fast zwei Millionen Menschen eine die traditionellen Kastenkombinationen transzendierende Identität zu erzeugen, die den Staat Gujarat – bei eindeutiger Ausgrenzung der Muslime – in den Mittelpunkt stellt. Ihren Ausdruck fand diese Strategie nicht zuletzt in Berichten, dass sich in verschiedenen Wahlkreisen Wähler muslimischen Glaubens nicht auf den Wählerlisten fanden; im Wahlkreis Modis in Ahmedabad angeblich 1.200.
Das Debakel traf den Congress und insbesondere Sonia Gandhi sehr hart, nicht zuletzt auch wegen der hohen Wahlkampfkosten. Während einer Auswertung der Congress-Niederlage wurden angeblich die "Dolche" gegen die Verantwortlichen für die Wahlkampfsstrategie gezückt.
Prakash Karat, Generalsekretär der Communist Party of India (Marxist), nannte die Congress-Strategie "kurzsichtig", da sie nicht wirklich die Auseinandersetzung mit der "kommunalistischen" BJP gesucht habe. Der Niedergang der Partei in den letzten zwei Jahrzehnten sei auf die "Identifikation mit den Interessen der Super-Reichen und des Finanzkapitals und des Verlusts der Orientierung auf die ländlichen und städtischen Armen" zurück zu führen. Auch andere Congress-Verbündete kritisierten die gebeutelte Partei wegen ihrer Wahlkampfstrategie ungeniert offen. Ram Vilas Paswan, Kabinettsminister und mit seiner Lok Janshakti Party (LJP) Congress-Alliierter in der Unionsregierung, konstatierte: "Dies ist der eigentliche Grund zur Besorgnis. Nach seiner zweiten Niederlage nach den Wahlen in Uttar Pradesh muss der Congress, der die säkularen Kräfte im Land anführt, wachsam sein. Wir dürfen nicht einfach die Art und Weise hinnehmen, in der Modi, nachdem er eine Hitler ähnliche Tendenz adoptierte, vorwärts schreitet."
Oppositionsführer L. K. Advani interpretierte das Ergebnis als einen innenpolitischen Wendepunkt, der den Boden für ein Come-back der BJP auf nationaler Ebene vorbereitet habe. Auch die Börse reagierte positiv auf den Modi-Sieg mit einem Anstieg der Aktien von Unternehmen aus Gujarat, darunter auch des staatlichen Sektors.
Oberflächlich betrachtet könnte die Wahl als ein Referendum für oder gegen Modi gewertet werden. Der sonst so besonnene Wissenschafts- und Technologieminister Sibbal machte es sich mit seiner Bemerkung, "dass Faschisten auch manchmal Wahlen gewinnen können", wohl zu leicht, um das Phänomen Modi zu begreifen. Dessen eindeutiger Sieg hat viele Kalkulationen über den Haufen geworfen. Modi ist zurzeit der populärste BJP-Politiker. Repräsentiert er die BJP des 21. Jahrhunderts? Das Wahlergebnis wird wesentliche Auswirkungen auf die nationale Szene haben. Ursprüngliche Pläne für vorgezogene Unterhauswahlen dürften vom Congress nach den klaren BJP-Siegen in Gujarat und Himachal Pradesh kaum noch verfolgt werden.
Modis Erfolg in Gujarat macht die militante Hindutva-Ideologie möglicherweise wieder zu einem Kernelemente der BJP. Die Partei wird mit L.K. Advani, ihrem Kandidaten für das Amt des Premierministers, versuchen, die vom Congress geführte Regierung der United Progressive Alliance, die sich aufgrund der permanenten Querelen mit den sie unterstützenden Kommunisten wegen des indisch-amerikanischen Nuklearabkommens und ihrer Wirtschaftspolitik in einer schweren Krise befindet, zu stürzen, um die 2004 verlorene Macht bei den nächsten Unterhauswahl zurück zu erobern.
Es bestehen kaum Zweifel daran, dass der begabte Redner Narendra Modi mit seinem Charisma in Zukunft eine wichtige Rolle auch innerhalb der nationalen Führung der BJP spielen wird. Innerhalb der Generation, die – nach L.K. Advani und dem durch Krankheit für immer außer Gefecht gesetzten ehemaligen Premierminister A.B. Vajpayee – sich die Führungspositionen innerhalb der BJP streitig macht, dominiert Modi aufgrund seiner Erfolge. Sein Motto "Heute Gujarat, morgen Delhi" könnte durchaus Wirklichkeit werden, denn seine nationalen Ambitionen sind evident. Umso auffälliger war, dass die Partei am ersten Tag der Wahl in Gujarat, den mittlerweile 80jährigen Advani zum Spitzenkandidaten der BJP für die spätestens 2009 anstehenden Unterhauswahlen kürte. Der Eindruck, dass Modis Ambitionen auf nationaler Ebene erst einmal gestoppt werden sollten, drängte sich auf.
Kritiker fürchten, dass der dynamische RSS-Kader Modi sich mit seinem polarisierenden Politikstil – "ein großer Spalter" – als Bürde für das Bemühen der BJP erweisen könnte, wichtige Regionalparteien für ein neues Bündnis zu gewinnen. Eine Kolumne der Hindustan Times benannte das Dilemma der BJP: "Modis Hindutva hat mehr mit den klassischen faschistischen Demagogen als mit der Tradition des Sangh Parivar gemeinsam. Die BJP kann es sich nicht leisten, seine Philosophie zu billigen. Das ist das größte Paradox: Die BJP hat schließlich einen Führer, der ihr einen ganzen Staat präsentiert, aber sie kann es sich nicht leisten, ihn noch weiter aufsteigen zu lassen."
Fest steht, dass Modis Wahlsieg den verhärteten gordischen Knoten der indischen Innenpolitik zum absehbaren Ende der Legislaturperiode soweit gedehnt hat, dass neue Kombinationen und sogar ein Widererstarken des Hindu-Nationalismus auf zentraler Ebene nicht mehr ausgeschlossen werden können. Die Wahlkämpfe und Resultate der 2008 anstehenden 10 Landtagswahlen werden darüber ersten Aufschluss geben, falls es nicht doch noch zu vorgezogenen Unterhausneuwahlen kommen wird.
Beobachter stellen die Frage, ob es Modi wegen seiner gesamtindischen Machtambitionen gelingen werde, sich neu zu erfinden und vielleicht sogar ein Wort des Bedauerns für das Pogrom von 2002 zu äußern. Andere fürchten hingegen eher, dass Modi mit seiner Ideologie den Säkularismus und die Gleichheit der Religionen nicht nur in Gujarat, sondern in Indien insgesamt bedrohen werde.
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