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Seit dem Anfang des nepalesischen Friedensprozesses im Frühling 2006 ist die Notwendigkeit, Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung zu halten, und das rasch, immer dringender geworden. Die Übergangsregierung, bestehend aus einer Sieben-Parteien-Allianz und der Kommunistischen Partei Nepals (Maoistisch), hatte ursprünglich diese Wahlen für Juni 2007 geplant und dabei die Tatsache ignoriert, dass der Beginn des Monsuns eine hektische Jahreszeit in der Landwirtschaft ist und keine plausible Zeit für Wahlen.
Als in letzter Minute der Urnengang verschoben wurde, brachten Teile der professionellen Elite Nepals - Rechtsanwälte aus Kathmandu, Medienkommentatoren und Mitglieder der Bildungselite - sowie die internationale Gemeinschaft Überraschung und Bestürzung, sogar Entrüstung zum Ausdruck. Die Parteien wiesen einander schnell die Schuld zu und setzten einen neuen Termin für November 2007 fest. Doch auch diese schien keine plausible Zeit zu sein, eine verschlafene Jahreszeit nach den großen Feiertagen des Landes. Als im Oktober auch diese Wahlen verschoben wurden, äußerte abermals jeder, der etwas zu sagen hatte, Überraschung, Bestürzung und Entrüstung. Kein geringerer als Ban Ki-Moon drängte die Regierung, einen neuen Wahltermin festzusetzen. Der gesamte Friedensprozess schien andernfalls gefährdet.
In der Eile, Wahlen abzuhalten oder zumindest Termine dafür
festzulegen, war es leicht zu übersehen, dass Wahlen nur eine von drei
Hauptkomponenten des Friedensprozesses sind. Sie sind zwar eine
wichtige Komponente - nur wenn eine verfassungsgebende Versammlung
gewählt wird kann Nepal sich der wichtigen Aufgabe widmen, eine neue
Verfassung auszuarbeiten. Doch sind die anderen Komponenten des
Friedensprozesses genauso entscheidend und scheinen bislang genauso
unerreichbar.
Die zweite wesentliche Komponente beinhaltet
ein Abkommen zwischen der nepalesischen Armee und der anderen
militärischen Macht, der maoistischen Volksbefreiungsarmee - derzeit sehr provisorisch untergebracht in 28 von den Vereinten Nationen
überwachten Unterkünften auf dem Land. Die nepalesische Armee hat ihren
Unwillen kundgetan, maoistische Kämpfer in ihre Reihen aufzunehmen, die
Maoisten erwarten gerade eine solche Integration. Keine der acht
Regierungsparteien war bislang erpicht darauf, die nepalesische Armee
bei dieser oder anderen notwendigen Reformen zum Einlenken zu drängen.
Denn die Armee ist schließlich während Wahlen für die Sicherheit der
Wahllokale verantwortlich. Reformwünsche der internationalen
Gemeinschaft blieben unbeachtet. So bleiben Reformen im
Sicherheitsbereich eine gefährlich vernachlässigte Komponente des
Friedensprozesses.
Die dritte Hauptkomponente des
Friedensprozesses besteht in der Einrichtung einer Wahrheits- und
Versöhnungskommission, welche die Verluste aufarbeiten soll, die in
zehn Jahren des Aufstandes und seiner Niederschlagung erlitten wurden:
Die über 13.000 Toten, die mehr als 900 Verschwundenen und die Tausende
Vertriebene im ganzen Land. Alle großen Parteien haben durch ihre
vergangene Unterstützung der nepalesischen Armee oder der
Volksbefreiungsarmee Blut an ihren Händen. Erwartungsgemäß haben sie
mehr Interesse daran, die Versöhnung zu fördern, als die Wahrheit
darüber aufzudecken, was während des Krieges geschah. Bislang haben sie
lediglich unwesentliche, symbolische Schritte unternommen, um eine
solche Kommission einzurichten. Gesten, die von nationalen und
internationalen Verteidigern von Menschenrechten rundweg zurückgewiesen
wurden. Diese Komponente des Friedensprozesses bleibt also ebenfalls
vernachlässigt.
Es mag unangemessen zynisch erscheinen sich
zu fragen, ob die Regierungsparteien, die die nepalesische Elite und
die Weltgemeinschaft gängeln, vielleicht die Wahlen verzögern um die
Öffentlichkeit von ihrem Versagen bezüglich einer Sicherheitsreform und
Wahrheit und Versöhnung abzulenken. Denn seit dem Tag, an dem Wahlen im
Juni angekündigt wurden, klingt der wiederholte Ruf nach baldigen
Wahlen in Nepal hohl. Umso mehr, weil bereits das bloße Wahlverfahren
heiß umstritten bleibt und eine Entscheidung darüber in weiter Ferne.
Welche Art Wahlen sollten in Nepal stattfinden? Dies ist eine ganz
offenkundige Frage, aber eine, auf welche die politischen Parteien in
der Regierung nur zögerlich antworten, aus gutem Grunde: Die Antwort
droht, tiefe Risse im Friedensprozess bloßzustellen.
Als die Kommunistische Partei Nepals (Maoistisch) und die Sieben-Parteien-Allianz November 2005 das Zwölf-Punkte-Abkommen
in New Delhi unterzeichneten und eine gemeinsame Friedensbewegung gegen
die feudalen Kräfte von Monarchie und Militär vereinbarten, war klar,
dass es sich um ein Zweckbündnis vorübergehender Natur handelte.
Nach
dem Erfolg der Friedensbewegung im April 2006 begann eine Phase, die
sich eher durch Spaltung auszeichnen sollte - der Friedensprozess.
Nepal ist, nach allen objektiven Indikatoren, ein unumstößlich linksgerichtetes Land. Dennoch ist es die Nepalesische Kongresspartei
- deren Ursprünge im Sozialismus liegen, die sich aber heute als stramm
neoliberal zeigt - die von der Weltgemeinschaft, insbesondere dem (in
Bezug auf Nepal) allmächtigen indischen Außenpolitik-Establishment, für
die Führung des Landes favorisiert wird.
So wurde der über achtzigjährige Präsident der Nepalesischen Kongresspartei,
Girija Prasad Koirala, Premierminister der ersten Übergangsregierung
(was er auch nach Verkündung einer Übergangsverfassung in der zweiten
Übergangsregierung blieb). Koirala ist berühmt für seine Antipathie
gegen Links. Er wird mit einer Fraktion seiner Partei assoziiert, die
als Kalo Kangress (Schwarzer Kongress) bekannt ist, und die
sich nach den Demokratiebewegungen von 1950 und 1990 mit Monarchie und
Militär verbündete, um die Linke einzudämmen, und es jedes Mal der
Monarchie und dem Militär ermöglichte, gestärkt zurückzukehren. Wenn
politische Kommentatoren Koirala ein "Genie" nennen - was oft der Fall
ist, unterdessen wird er sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen
- meinen sie damit, dass er unaufhaltsam ist, wenn es darum geht, den
rechten Flügel gegen den linken auszuspielen.
Koirala und die Nepalesische Kongresspartei
haben die entscheidende Rolle im Friedensprozess gespielt. Die an
zweiter Stelle entscheidenden Akteure waren die Maoisten, die ihre
Popularität unter den "Massen", auf deren Kosten sie zehn Jahre lang
gelebt und die sie in großem Ausmaß gefährdet hatten, zunächst
erheblich überschätzten. Sie traten in den Friedensprozess als Sieger
ein. Die drittwichtigste Akteurin des Friedensprozesses ist die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch),
die größte linksgerichtete, der parlamentarischen Demokratie
verpflichteten Partei, und abwechselnd Rivalin und Verbündete der Nepalesischen Kongresspartei und der Maoisten.
Keine
dieser Parteien hatte die geringste Erfahrung in Friedensstiftung. Und
weder erhielten noch akzeptierten sie vernünftige Ratschläge von
Kathmandus professioneller Elite und der internationalen Gemeinschaft.
Das "umfassende Friedensabkommen" vom 21. November 2006 war alles
andere als umfassend. Auf der positiven Seite ebnete es den Weg für die
Ausrufung einer Übergangsverfassung im Januar 2007, was den Einzug der
Maoisten in ein Übergangsparlament und deren Heranführung an Demokratie
ermöglichte. Auf der negativen Seite behandelt das Abkommen die Reform
der Sicherheitspolitik und Wahrheit und Versöhnung eher beiläufig und
unverbindlich.
Am problematischsten war, dass es die
meisten Nepalesen vom Friedensprozess ausschloss. Fast ab dem Abend der
Unterzeichnung - ein Ereignis, das von der Kathmandu-Elite und der
Weltgemeinschaft besonders gefeiert wurde - fiel der Friedensprozess in
die ausschließliche Verantwortung der politischen Parteien. Selbst die
Maoisten beteiligten sich an der Errichtung von Barrieren, in dem sie
eine Schlüsselforderung nach einer Konferenz am runden Tisch im
Gegenzug für eine schnelle Beteiligung am Regierungsgeschehen aufgaben.
Und so verkam das, was noch im April 2006 eine Massenbewegung für die
Verwandlung des Landes gewesen war, durch die Einberufung des
Übergangsparlaments zu einer Übung in Machtverteilung zwischen acht
politischen Parteien.
Dies erwies sich als schwerer Fehler,
denn der Ruf nach schnellen Wahlen kursierte bald in der
Kathmandu-Elite und der Weltgemeinschaft. Unter den
Frauenrechtsaktivisten, den Aktivisten für die Rechte der ethnischen
und einheimischen Bevölkerungsgruppen, den Dalits und den Madheshi
im Südosten (die alle bedeutende gesellschaftliche Bewegungen Nepals
umfassen), wuchs der Widerstand gegen die von den Parteien favorisierte
Mehrheitswahl, da diese als Begünstigung derer angesehen wurde, die
bereits die Macht innehatten. Dies sind die Männer der "hohen" Kasten,
von denen man ohne Übertreibung behaupten kann, dass sie in Nepal ein
gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches Machtmonopol
besitzen. Die Gruppen der Ausgegrenzten haben diverse eigene
Forderungen aufgestellt, sowie eine gemeinsame Forderung: Es soll bei
den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung das Verhältniswahlrecht
gelten.
Keine der acht Regierungsparteien - deren Führer
alle aus "hohen" Kasten stammen - war daran interessiert.
Unzufriedenheit erhärtete sich in der Madheshi-Region als eine
Volksbewegung die Einführung des Verhältniswahlrechts forderte. Im
Laufe des Sommers 2007 geriet die Madheshi-Rechte-Bewegung aus
der Kontrolle ihrer Führer und schlug in Gaur, Lahan, Kapilvastu und
anderen südöstlichen Städten in Gewalt um; das tägliche Leben und
Handel in der Region kamen zum Erliegen.
Es zeigt das elitäre Wesen derer, die den Friedensprozess steuern, dass die Madheshi-Rechte-Bewegung
in Kathmandu feindselig aufgenommen wurde, bis hin zu Vorhaltungen, die
Führer der Bewegung seien antinationalistisch, oder zumindest
antidemokratisch. Denn Demokrat sein bedeutete, schnell wählen zu
wollen, und jeder, der sich schnellen Wahlen in den Weg stellte,
musste, dieser reduzierenden Logik zufolge, antidemokratisch sein. Es
stimmt zwar, dass die Madheshi-Rechte-Bewegung gelegentlich von
Feudalisten unterwandert wurde, die von einem Wiedererstarken von
Monarchie und Militär träumten und hofften, genug Gewalt zu entfachen,
um die Wahlen gänzlich zu verhindern. Es stimmt auch, dass
Splittergruppen der Maoisten einen Teil der Gewalt mehr aus kriminellen
denn aus politischen Gründen angezettelt haben. Dennoch sollte dies die
Forderung der Bewegung nach Verhältniswahlen nicht diskreditieren,
konnte dies letzten Endes auch nicht tun.
Unter großem Druck, und nur sehr zögerlich, stimmten die acht
Regierungsparteien zu, mit den Madheshi-Gruppen zu reden. Ebenfalls
unter Druck, ebenfalls zögerlich, stimmten sie Gesprächen mit Gruppen
zu, welche die Rechte ethnischer und einheimischer Bevölkerungsgruppen
einforderten. Dennoch weigerten sie sich, die Forderungen jener anderen
Gruppen wirklich ernst zu nehmen - bis im September 2007 die Maoisten
das Kabinett verließen (ohne jedoch das Übergangsparlament zu
verlassen) und große Ängste in Bezug auf den ganzen Friedensprozess
auslösten.
Spätestens dann war den Maoisten klar geworden, dass
sie doch nicht so beliebt waren wie sie ursprünglich angenommen hatten.
Sie sahen, dass sie ihre Basis weiter ausgehöhlt hatten, in dem sie
durch die Unterzeichnung des umfassenden Friedensabkommens zwei ihrer
lange erhobenen Forderungen aufgaben. Diese waren die Forderungen nach
einer sofortigen Abschaffung der Monarchie und einer Konferenz am
runden Tisch. Nach Verlassen des Kabinetts verlangten sie ein
Sondersitzung des Parlaments um zwei Anträge zu beraten: Die sofortige
Abschaffung der Monarchie, und - statt einer Konferenz am runden Tisch
- die Annahme des Verhältniswahlrechts für die Wahlen zur
verfassungsgebenden Versammlung.
Offensichtlich hofften sie, durch
die Annahme der Sache der Ausgegrenzten ihre Basis zurückzugewinnen.
Deren Führung wurde außerdem von der Volksbefreiungsarmee scharf
kritisiert, die noch immer unter Überwachung der Vereinten Nationen in
deren Unterkünften auf die Integration in die nepalesische Armee
wartete. Die Maoistenführer, die in Kathmandu ein bequemes Leben
führten, mussten den eigenen Kadern beweisen, dass sie sich nicht
völlig verkauft hatten.
Deren Verlassen des Kabinetts versetzte
alle Seiten in Panik. Die Kathmandu-Elite warf den Maoisten
unanständiges Verhalten vor - sie würden die Wahlen (und den
Friedensprozess insgesamt) zu Geiseln ihrer Launen machen. Die Maoisten
wiederum warfen den sieben Parteien bezüglich der Durchführung von
Wahlen Heuchelei vor. In dem Gewirr wurden die Wahlen prompt abgesagt,
und in einem Versuch, den Friedensprozess vor dem Scheitern zu
bewahren, wurde eine Sondersitzung des Übergangsparlaments einberufen.
Zur
Überraschung aller wurden beide Anträge der Maoisten - oder zumindest
ähnliche Anträge - angenommen. Die Kommunistische Partei Nepals
(Vereinigt Marxistisch-Leninistisch), die zwischen der Nepalesischen
Kongresspartei und den Maoisten pendelt, reichte moderatere Anträge ein
und bildete mit den Maoisten einen linken Block, um sie
durchzubekommen. Statt die Monarchie umgehend abzuschaffen,
verabschiedete das Übergangsparlament am 4. November eine Resolution,
die Regierung um die Abschaffung der Monarchie zu ersuchen. Und statt
ein System des Verhältniswahlrechts einzuführen, das als Verdienst der
Maoisten gelten würde, verabschiedete das Übergangsparlament eine
Resolution zur Einführung des Verhältniswahlrechts, die als Verdienst
der Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch)
gelten sollte.
Die Kathmandu-Elite erklärte die Resolutionen für
verfassungswidrig, oder zumindest nicht bindend (da sie nicht mit einer
Zweidrittelmehrheit sondern lediglich mit einer einfachen Mehrheit
verabschiedet wurden), und drängte das nun Maoisten-freie Kabinett in
zunehmend hysterischen Tönen, sie nicht umzusetzen.
Diese scharfe
Polarisierung zwischen den linken und den liberalen Parteien war von
vornherein zu erwarten. Was unerwartet kam, war die Polarisierung
zwischen der Elite und den Ausgegrenzten in der breiten Bevölkerung.
Wie das Übergangsparlament ist auch das Land in zwei Lager gespalten:
Die Elite, die für die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung eine
personalisierte Verhältniswahl bevorzugt (die Hälfte der Sitze nach
Verhältniswahl, die Hälfte nach Mehrheitswahl), und die Ausgegrenzten,
die eine reine Verhältniswahl wollen, nach deren Überzeugung der
einzige Weg, Zugang zur Macht zu erlangen, die ihnen bislang verwehrt
wurde.
Es mag zwecklos, sogar
töricht erscheinen, wenn die Regierungsparteien erneut Wahltermine
festsetzen ohne vorher über das Wahlverfahren zu entscheiden; dennoch
ist dies genau das, was der größte Teil der Kathmandu-Elite und die
internationale Gemeinschaft von ihnen verlangt.
"Sie müssen keine
perfekte Wahl durchführen. Sie müssen nur überhaupt eine Wahl
durchführen. Dann können Sie anfangen, sich vorwärts bewegen", sagte
mir ein ranghohes Mitglied der internationalen Gemeinschaft während der
Anfänge des Friedenprozesses, als sie Wahlen im Juni erwartete. Andere
Mitglieder der internationalen Gemeinschaft haben behauptet, dass eine
Verzögerung der Wahlen den Friedensprozess insgesamt gefährden würde.
Wiederum andere haben Afghanistan und Irak als Vorbilder genannt: Wenn
dort Wahlen stattfinden konnten, warum sollten sie nicht in Nepal
stattfinden können?
Vielleicht ist Unwissen verantwortlich für die
Blindheit der internationalen Gemeinschaft gegenüber der Tatsache, dass
die Nepalesen nicht bloß irgendwelche Wahlen wollen, sondern gute
Wahlen, welche eine verfassungsgebende Versammlung wählen, die sie
wirklich vertritt. Womöglich verspürt die internationale Gemeinschaft
nicht den Drang, den die Nepalesen verspüren, das Land zu verändern.
Wenn die professionelle Elite Nepals an derselben Blindheit leidet, kann es nicht an Unwissen liegen.
Die
Rechtsanwälte, Medienkommentatoren und Mitglieder der Bildungselite
sind weit davon entfernt, einheitlich zu denken, dennoch haben sie sich
alle gleichermaßen dem Ruf nach schnellen Wahlen angeschlossen und viel
Tinte darüber vergossen, wer an der wiederholten Verschiebung derselben
schuld sei, dabei geflissentlich die Unruhe und Gewalt außer Acht
gelassen, die Wahlen von vornherein erschweren. Diese Menschen sind
nicht schlecht informiert. Sie sind parteiisch - fast alle Mitglieder
der sogenannten zivilen Gesellschaft favorisieren entweder die
Nepalesische Kongresspartei oder die Kommunistische Partei Nepals
(Vereinigt Marxistisch-Leninistisch) und sind in Krisenzeiten nicht
gewillt, das Lager zu wechseln. Da die Kommunistische Partei Nepals
(Vereinigt Marxistisch-Leninistisch) sich bislang hinter die Führung
der Nepalesischen Kongresspartei gestellt hat, ist die Elite bei ihren
Positionen geblieben.
Jetzt, da sich die Kommunistische Partei
Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch) von der Nepalesischen
Kongresspartei entfernt hat, könnte die Elite ein weniger
einheitliches Verständnis des Friedensprozesses zeigen. Dies wäre eine
willkommene Veränderung.
Eine weitere willkommene Veränderung wäre
die Rückkehr der Maoisten zu ihrer letzten Forderung, einer die sie
jetzt anscheinend sehr gern vergessen würden: Der Forderung nach einer
Konferenz am runden Tisch. Während der vergangenen Jahrzehnte hat sich
Nepal in einem Zustand geistiger Umwälzung befunden. In dem exklusiven,
von der Elite in Beschlag genommenen Friedensprozess konnte dies nicht
genutzt werden. Eine Konferenz am runden Tisch unter Einbeziehung aller
ausgegrenzten Gruppen (Frauen, Dalits, ethnische und einheimische
Bevölkerungsgruppen, und Madheshis) würde den Prozess öffnen und zu
einem wahrhaft nepalesischen Friedensprozess werden lassen, statt eines
Friedensprozesses von der Elite für die Elite.
Die
internationale Gemeinschaft riskiert erneut die Rolle zu spielen, die
sie stets in Nepal bei dem Übergang zur Demokratie gespielt hat. 1950,
wie auch 1990, half die internationale Gemeinschaft - allen voran das
indische Außenpolitik-Establishment - der von der Nepalesischen
Kongresspartei geführten Regierung, einer Allianz mit den feudalen
Kräften von Monarchie und Militär einzugehen, mit dem Zweck, die Linke
einzudämmen. Dies erlaubte es den feudalen Kräften, die Demokratie zu
demontieren und an die Macht zurückzukehren. Auch jetzt, mit sowohl
impliziten als auch expliziten Mitteln ermutigt die internationale
Gemeinschaft, insbesondere Indien, die von der Nepalesischen
Kongresspartei geführte Regierung, die feudalen Kräfte zu
beschwichtigen. In diplomatischen Kreiden wird viel darüber geredet -
anscheinend ohne humoristische Absichten - den derzeitigen König
Gyanendra und seinen unbeliebten Sohn Paras zu übergehen, und Paras'
sechsjährigen Sohn Hridayendra als "Baby-König" einzusetzen. Die
diplomatische Gemeinschaft - auch hier insbesondere Indien - ermutigt
außerdem die Regierung, die nepalesische Armee unangetastet zu lassen.
Daher das Fehlen einer Reform im Bereich der Sicherheitspolitik sowie
einer Wahrheits- und Versöhnungskommission.
Dies hat natürlich
dazu beigetragen, die Monarchie und die schlimmsten Instinkte der
nepalesischen Armee zu bestätigen. Ein zunehmend selbstbewusster
Gyanendra hat Anweisungen der Regierung getrotzt und öffentliche Ämter
ausgeübt, derer er enthoben worden war. Noch besorgniserregender sind
die in Kathmandu allgegenwärtigen Gerüchte eines bevorstehenden
Putsches...
Es könnte der internationalen Gemeinschaft die
Peinlichkeit ersparen, wieder auf die falsche Seite in den
Geschichtsbüchern zu geraten, wenn der Friedensprozess neu verhandelt
werden würde.
Die Welt wird schließlich nicht untergehen, wenn das
umfassende Friedensabkommen eines natürlichen Todes stirbt. Der
nepalesische Friedensprozess muss nicht einmal angehalten werden. Ein
neues, einschließendes Abkommen, das mit einer Konferenz am runden
Tisch angestoßen würde, würde einen großen Beitrag zur Beendigung von
Unruhen und Gewalt in ausgegrenzten Gemeinschaften leisten. Es würde
das geistige Ferment des Landes zu Nutze machen. Und es würde helfen,
die Aufmerksamkeit wieder auf Reformen im Bereich der
Sicherheitspolitik sowie Wahrheit und Versöhnung zu lenken.
Das wäre doch ein Friedensprozess, der Unterstützung verdiente.
(Übersetzung: Reuben Proctor, BONO-Direkthilfe e.V.)
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