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22. März 2008. Südasien Die South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC)

Mit Hilfe der Entstehungsgeschichte der südasiatischen Vereinigung für regionale Zusammenarbeit, einer Skizzierung des Aufbaus der Organisation und ihrer Strukturen sollen hier einige Ziele der SAARC verdeutlicht werden.

In den acht Ländern der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) leben mindestens anderthalb Milliarden Menschen, ein Fünftel der Weltbevölkerung, wovon rund 400 Millionen unterhalb der Armutsgrenze leben. Gemessen an der Einwohnerzahl, der Produktion von Waren, dem Bruttosozialprodukt, der Industrialisierung und dem ökonomischen Wachstum macht Indien allein einen größeren Anteil aus, als alle übrigen Nachbarländer zusammen.

Durch konkurrierende Interessen während des Kalten Kriegs 1 und Spannungen vor allem zwischen Indien und Pakistan war in Südasien - als einer Region mit ausgeprägten geschichtlich-kulturellen, religiösen und soziökonomischen Gemeinsamkeiten 2 - eine regionale Kooperation in den ersten drei postkolonialen Jahrzehnte obsolet (SAARC 1999:25ff).

Gründungsgeschichte der SAARC

Einzelne Initiativen, wie beispielsweise der Colombo-Plan 3 von 1950 oder der indisch-pakistanische Induswasservertrag von 1960, 4 können kaum als Vorreiter regionaler Zusammenarbeit betrachtet werden. Trotz vielfältiger Differenzen der Nachbarstaaten mit Indien bestand in mehreren südasiatischen Hauptstädten der Wunsch nach einer Institution als Hilfe zur "Überwindung der politischen und militärischen Spannungen in der Region" und einer "regionalen Arbeitsteilung" (Vgl. Zingel 2003:1).

SAAR-Summit
Monate vor dem SAARC-Treffen in Dhaka 2005 waren bereits die Straßen für das Zusammenkommen der Staatschefs vorbereitet (hier die Airportroad). Foto: Christoph S. Sprung

Während eines Treffens der Außenminister Sri Lankas und Bangladeschs 1977 in Colombo wurden erstmals Möglichkeiten einer regionalen Zusammenarbeit in Südasien erörtert. Angesichts des militärischen Vorstoßes der sowjetischen Armee nach Afghanistan Ende der 1970er Jahre schlug der Präsident Bangladeschs, General Ziaur Rahman, 1980 vor, die regionale Zusammenarbeit auszubauen (Vgl. Siddiqi). Zias Vorschlag stieß allerdings zunächst auf Skepsis, da die eigenen sicherheitspolitischen Themen aus Sicht einiger Staaten überwogen. Die Regierung von Bangladesch erstellte daraufhin ein Konzeptpapier, das stärker andere Kooperationsfelder betonte, wie etwa allgemeinere Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Auf Grundlage dieses Entwurfs trafen sich im April 1981 die Außenminister von Indien, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Nepal, den Malediven und Bhutan in Colombo (Madaan 1997:13). Die stärkere Akzentuierung einer regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit erhielt dort regen Zuspruch. Im Folgejahr wurde ein Ständiger Ausschuss eingerichtet, der mit der Erstellung künftiger Kooperationsfelder und Regularien beauftragt wurde. Die ersten Gespräche zum Ausbau der angestrebten Kooperation betrafen wirtschaftliche und soziale Themen (Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Gesundheit, Bevölkerungspolitik und Telekommunikation). Auf dieser Grundlage beschlossen im August 1983 die Außenminister der sieben Staaten bei einem neuen Treffen in Delhi die Erklärung zu einer gemeinsamen regionalen Kooperation, der South Asia Regional Cooperation (SARC) (Madaan 1997:4).

Zwei Jahren darauf, während der sowohl die Außenminister als auch der Ständige Ausschuss mehrmals zusammenkamen, gründeten im Dezember 1985 die Staats- und Regierungschefs der sieben Länder in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, im Sinne einer verbesserten wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Region die South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC). 5

Im April 2007 wurde Afghanistan, das bereits zwei Jahre zuvor offiziell die Mitgliedschaft beantragt hatte, als achter Staat in die SAARC aufgenommen. 6

Struktur, Organisation und Ziele

Der Gründung von regionalen Gemeinschaften liegen üblicherweise gemeinsame ideologische, politische oder wirtschaftliche Motive zugrunde. Daher stellt sich die Frage, ob die Mitgliedsstaaten der SAARC mit ihrer heterogenen und teilweise konkurrierenden Ausrichtung lediglich aufgrund ihrer geographischen Nähe miteinander assoziiert sind?

Weder Indien noch Pakistan - die Hauptrivalen in der Region - konnten sich der regionalen Zusammenarbeit verschließen ohne eine regionale Isolation zu riskieren. Einerseits widersprach dies der außenpolitischen Vorgehensweise Delhis, nämlich bilateral und aus der Position der Stärke heraus mit seinen Nachbarn zu verhandeln. Andererseits war Islamabad bereit, die Befürchtung vor einer indischen Dominanz innerhalb einer regionalen Organisation einer eventuellen Isolierung in Südasien vorzuziehen. (Vgl. Dosch/Wagner 1994:17-21).

SAARC-Folklore
Werbeplakat für das SAARC-Folklore Festival 2007 auf dem Connaught Place in Delhi. Foto: Christoph S. Sprung

Die Institutionalisierung der SAARC ist kaum vergleichbar mit den gewaltigen nationalen Bürokratien europäischer Regierungen, der Verwaltungsbehörde der Europäischen Union (EU) in Brüssel, der dortigen Kommission oder dem Straßburger Parlamentarismus. Das liegt nicht zuletzt auch an der Richtlinienkompetenz, die zentral in den Händen der südasiatischen Staats- und Regierungschefs liegt. Ihr (idealerweise) jährliches Gipfeltreffen ist ausschlaggebend für den Erfolg (oder Misserfolg) der Organisation. In den vergangenen 22 Jahren seit der Gründung gab es 15 Gipfeltreffen, zuletzt im August 2008 in der srilankischen Hauptstadt. Der Rat der Außenminister, das zweithöchste SAARC-Gremium, handelt die Leitthemen für die Gipfeltreffen aus und konkretisiert sie. Die dritte von vier Ebenen ist dem Ständigen Ausschuss vorbehalten, der die Aktivitäten der untergeordneten Fachausschüsse koordiniert und überwacht. Er wird geleitet von hohen Beamten der Außenministerien, die sich zweimal jährlich zusammenfinden. Die vierte Ebene der SAARC Koordination, die des Integrated Programme of Action, besteht aus Fachausschüsse (Technical Committees). Diese sind verantwortlich und tagen zu den Themen:

  • Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (Agriculture and Rural Development)
  • Gesundheit und Bevölkerung (Health and Population Activities)
  • Frauen, Jugend und Kinder (Women, Youth and Children)
  • Umwelt und Forstwesen (Environment and Forestry)
  • Wissenschaft, Technologie und Metrologie (Science and Technology and Meteorology)
  • Personalentwicklung (Human Resources Development)
  • Transportwesen (Transport)

Zudem wurden während der vergangenen Gipfeltreffen immer wieder "high level Working Groups" gegründet, die beispielsweise die Zusammenarbeit in den Feldern Informations- und Telekommunikationstechnologie, Biotechnologie, Urheberrechte, Tourismus und Energie ausbauen sollen. 7

SAARC-Sekretariat
Das SAARC-Sekretariat am Tridevi Marg in Kathmandu (Nepal). Foto: Christoph S. Sprung

Zur besseren Koordination wurde im Januar 1987 das Sekretariat der SAARC eingerichtet (Vgl. SAARC 1999:111-12). Es hat seinen Sitz in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. 8 Geleitet wird es von einem Generalsekretär, der immer rotierend aus einem anderen Land stammt und für zwei Jahre bestimmt wird - gegenwärtig ist es der Inder Sheel Kant Sharma (seit dem 1.3.2008). Die Vorbereitungen der Gipfeltreffen - die den eigentlichen Kern der SAARC-Aktivitäten bilden - werden von Kathmandu aus mitvorbereitet, wodurch eine enge Verbindung zu den jeweiligen Regierungen unerlässlich ist.

Aufgrund der gestiegenen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Region, die sich beispielsweise in dem South Asia Free Trade Agreement 9 wiederspiegelt, das während des SAARC-Gipfeltreffens im Januar 2004 in Islamabad beschlossen wurde und demzufolge bis 2012 alle Produkte ohne Zollbeschränkungen innerhalb eines einheitlichen Wirtschaftsraumes gehandelt werden können, sind nicht nur unmittelbare Nachbarstaaten an den Entwicklungen und Aktivitäten der SAARC interessiert. Im Zuge der neuen Dynamik stößt die SAARC auf internationales Interesse: China und Japan 10 haben seit 2005, Südkorea, die USA und die EU seit 2006 und Iran seit April 2007 einen Beobachterstatus inne. 11

Während der Gipfeltreffen (Dhaka 1985, Bangalore 1986, Kathmandu 1987, Islamabad 1988, Malé 1990, Colombo 1991, Dhaka 1993, New Delhi 1995, Malé 1997, Colombo 1998, Kathmandu 2002, Islamabad 2004, Dhaka 2005, New Delhi 2007, Colombo 2008) wurden unterschiedliche Kooperationen vereinbart und diverse gemeinsame Abkommen mit dem Ziel unterzeichnet, die Kooperation in wirtschaftlichen und technischen Angelegenheiten zu vertiefen (vgl. Siddiqi). Entsprechend der Deklaration von Delhi 1983 bleiben politische Probleme allerdings meist ausgeklammert (Vgl. Dosch /Wagner 1994:34).

Einer der wichtigsten Anreize der Mitglieder war bisher und wird auch weiterhin die wirtschaftliche Zusammenarbeit sein. Die EU dient dabei immer wieder als Vorbild. Die geplante Liberalisierung, die 1993 mit dem South Asian Preferential Trade Arrangement (SAPTA) beschlossen wurde, wird das regionale Handeln durch den Abbau von Handelshemmnissen ermöglichen. Das Zustandekommen des SAPTA wird trotz vieler kritischer Stimmen bezüglich des Tempos und der Effizienz der SAARC als ein Erfolg gewertet (Dosch/Wagner 1994:47). Angesichts des gegenwärtigen einstelligen Handelsvolumens vom Gesamthandel zwischen SAARC-Ländern erscheint das zukunftsorientiert und aussichtsreich - besonders wenn es zu privatwirtschaftlichen Kooperationen und einem größeren Vertrauen in die gemeinsame Stärke kommen kann (Vgl. Lama). Von einer stärkeren Teilnahme an einer internationalen Arbeitsteilung würde die einzelnen Staaten allerdings mehr profitieren als von einer regionalen Wirtschaftsgemeinschaft. 12

Fussnoten

[ 1 ] Der Ost-West-Konflikt war nicht die Ursache interner Spannungen, sondern überlagerte diese teilweise.

[ 2 ] Die heutigen politischen Grenzen, die vor allem durch die Teilung zur Unabhängigkeit aus der britischen Kolonialherrschaft gezogen wurden, spiegeln kaum reale soziokulturelle Räume der Region wieder. Sie markieren weder einheitliche Sprachräume noch sind es religiöse oder gar geschichtliche Barrieren.

[ 3 ] Der Plan wurde 1950 auf einer Konferenz der Außenminister der Commonwealth-Staaten in Colombo beschlossen. Es war vorgesehen durch wirtschaftliche Investitionen, Kapitalhilfe und technische Unterstützung einiger entwickelter Staaten den Ländern Süd- und Südostasiens zu helfen ihren Lebensstandard anzuheben. Siehe die Website des Colombo-Plan.

[ 4 ] Der 1960 in Karachi zwischen Premierminister Jawaharlal Nehru und Präsident General Mohammad Ayub Khan geschlossenen Vertrag regelt die Wassernutzung des Indus-Fluss-Systems, dem insgesamt sechs Flüsse auf pakistanischen und indischen Staatsgebiet zugerechnet werden. Dabei wurde Pakistan die exklusive Nutzung der drei Flüsse Indus, Jhelum und Chenab zugestanden. Indien erhielt durch den Vertrag die exklusive Verfügung der drei östlichen Flüsse Sutlej, Beas und Ravi zugestanden. Vgl. im Detail online.

[ 5 ] Siehe Madaan 1997:52-57 und Charter of the South Asian Association for Regional Cooperation (online).

[ 6 ] Vgl. Statement by His Excellency Hamid Karzai, President of the Islamic Republic of Afghanistan, at the Fourteenth Summit of the South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) in Delhi, India, 3 - 4 April 2007 (online).

[ 7 ] Vgl. Areas of Cooperation, auf der Website des Sekretariats der South Asian Association for Regional Cooperation (online).

[ 8 ] "Its role is to coordinate and monitor the implementation of SAARC activities, service the meetings of the Association and serve as the channel of communication between SAARC and other international organisations. The Secretariat has also been increasingly utilised as the venue for SAARC meetings. The Secretariat comprises the Secretary General, seven Directors and the General Services Staff." Vgl. The SAARC Secretariat, auf der Website des Sekretariats der South Asian Association for Regional Cooperation (online).

[ 9 ] Das Agreement on South Asian Free Trade Area ist online im pdf-Format einzusehen.

[ 10 ] Vgl. China accorded SAARC observer status (online).

[ 11 ] The Islamic Republic News Agency (IRNA): SAARC expands further by giving Iran 'Observer' status, 4.4.2007, und: Iran in SAARC: In India's Interest but What About Pakistan?, 30.5.2007.

[ 12 ] "Eine Liberalisierung des südasiatischen Handels ohne eine vereinbarte Arbeitsteilung könnte sehr einseitig die leistungsfähige indische Industrie begünstigen und wäre für die kleineren Partner kaum erstrebenswert." (Zingel 2003:11)

Quellen

  • Dosch, Jörn; Wagner, Christian: ASEAN und SAARC : regionale Kooperation in Asien im Vergleich. Johannes Gutenberg-Universität Mainz /Institut für Politikwissenschaft, Abteilung: Politische Auslandsstudien und Entwicklungspolitik. Mainz 1994.
  • Lama, Mahendra P.: Energy Cooperation in South Asia (online).
  • Madaan, Davinder Kumar: SAARC: origin, development and programmes. From first to the ninth SAARC summit. New Delhi: Deep and Deep Publications, 1997.
  • SAARC: SAARC vision beyond the year 2000: report of the SAARC Group of Eminent Persons established by the ninth SAARC summit. Delhi: Shipra Publications, 1999.
  • SAARC Secretariat (Website)
  • Siddiqi, Hafiz GA: South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC), online bei Banglapedia (National Encyclopaedia of Bangladesh).
  • Zingel, Wolfgang-Peter Zingel SAARC, Handbuch für Außenwirtschaftspolitik, 2003 (online).

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